Niznansky-Prozess:Wenn nicht mehr Wahrheit zu finden ist

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Wende im Münchner Prozess um NS-Massaker: Nach widersprüchlichen Aussagen des Kronzeugen hat das Gericht den Haftbefehl gegen Ladislav Niznansky aufgehoben. Es bestehe kein dringender Tatverdacht mehr. Mit einem Lächeln verließ der mutmaßliche Kriegsverbrecher den Gerichtssaal.

Von Michael Nienaber

Im Münchner Kriegsverbrecherprozess um Massaker in der Slowakei hat das Schwurgericht den Haftbefehl gegen den 86-jährigen Ladislav Niznansky aufgehoben. Nach rund neun Monaten Untersuchungshaft kam der wegen mehrfachen Mordes angeklagte Deutsche noch am Freitag frei.

"Ich habe immer gesagt, ich bin unschuldig" - der mutmaßliche Kriegsverbrecher Ladislav Niznansky mit seiner Ehefrau. (Foto: Foto: dpa)

Nach dem derzeitigen Stand der Verhandlung könne nicht mehr von einem dringenden Tatverdacht ausgegangen werden, sagte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl. "Das bedeutet, dass Sie heute auf freien Fuß kommen", erklärte er an Niznansky gerichtet. Tatverdacht bestehe aber weiterhin.

Zusammen mit seiner Ehefrau verließ der mutmaßliche Kriegsverbrecher lächelnd den Gerichtssaal. "Ich habe von Anfang an gesagt, ich bin unschuldig", sagte Niznansky im Gespräch mit sueddeutsche.de.

Die Entlassung aus der Untersuchungshaft sei eine große Erleichterung, fügte er hinzu. Für ihn sei die Entscheidung des Richters ein Vorzeichen, dass nun doch noch alles gut ausgehen werde. Der gebürtige Slowake Niznansky ist seit 1996 deutscher Staatsbürger und feiert in neun Tagen seinen 87. Geburtstag.

Die Staatsanwaltschaft wirft Niznansky vor, als führendes Mitglied der Einheit "Edelweiß" Anfang 1945 für den Tod von 164 Zivilisten verantwortlich gewesen zu sein. Er selbst soll eigenhändig 20 Menschen erschossen haben. Unter den Opfern befand sich auch eine Gruppe jüdischer Flüchtlinge.

Der Hauptbelastungszeuge Jan Repasky, der damals der Einheit angehörte, hatte allerdings vor Gericht widersprüchliche Aussagen gemacht. Bei seiner mehrtägigen Befragung verwechselte der Slowake immer wieder Namen und Orte. Ein Gerichtspsychologe attestierte dem 79-jährigen Kronzeugen Erinnerungslücken auf Grund seines hohen Alters.

Richter Götzl sagte am Freitag, Repasky habe auch seine vorherigen Aussagen nicht aufrechterhalten, wonach er selbst gesehen habe, dass Niznansky eigenhändig 20 Menschen getötet habe.

Niznansky hatte während der Verhandlung immer wieder seine Unschuld beteuert. Ein tschechoslowakisches Gericht hatte ihn dagegen 1962 in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Damalige Mitangeklagte sagten jedoch, dass Aussagen und Geständnisse erpresst worden seien.

Niznanskys Verteidiger Steffen Ufer sprach am Freitag von einer Signalwirkung für den Prozessausgang. Er rechne mit einem klaren Freispruch für seinen Mandanten. "Am Ende werden wir feststellen: Wenn nicht mehr Wahrheit zu finden ist, stößt auch die Justiz an ihre Grenzen", sagte Ufer mit Hinblick auf die Schwierigkeit, NS-Gräultaten 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges aufzuklären.

Staatsanwalt Konstantin Kuchenbauer verwies jedoch darauf, dass die Beweisaufnahme noch lange nicht abgeschlossen sei. Die Aufhebung des Haftbefehls sei daher nur eine Momentaufnahme. "Ich persönlich schließe nicht aus, dass sich der Prozess noch bis ins nächste Jahr hinziehen wird", sagte Kuchenbauer.

Urspünglich war der 29. Oktober als letzter Verhandlungstermin angesetzt worden. Aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen wie der Entfernung von slowakischen und tschechischen Zeugen sowie der lange zurückliegenden Tatzeit der Massaker ist mit einem Richterspruch nun erst frühestens im November zu rechnen.

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