Niznansky-Prozess:Verteidiger fordert Freispruch

Freispruch oder lebenslange Haft? Vor dieser Entscheidung steht das Münchner Schwurgericht nach 15-monatigem Prozess gegen den wegen 164-fachen Mordes angeklagten Ladislav Niznansky, 88. Sein Verteidiger Steffen Ufer forderte die Richter gestern auf, seinen Mandanten freizusprechen, da es "nicht den geringsten vernünftigen Beweis" für seine Schuld gebe.

Alexander Krug

Ufer ging in seinem Plädoyer hart ins Gericht mit dem Ankläger. "Ihre Ermittlungen, Herr Staatsanwalt, waren und sind nicht der Rede wert." Jahrelang habe man einseitig und "selektiv" in alten Dokumenten nach einer Wahrheit gesucht, die sich aber erst aus einem Gesamtzusammenhang ergebe.

Niznansky soll Anfang 1945 als Hauptmann einer slowakischen Abteilung unter deutschem Kommando ("Abwehrgruppe Edelweiß") an insgesamt drei Massakern in der Zentralslowakei beteiligt gewesen sein, bei denen 164 Zivilisten ermordet wurden. Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass er als stellvertretender Kommandeur den Befehl gab, "keine lebendige Seele" dürfe entkommen. Eine solche Vorstellung sei "absurd", so Ufer. Deutsche Soldaten hätten sich "niemals" von einem Slowaken Befehle erteilen lassen, zumal Niznansky noch Monate zuvor im slowakischen Nationalaufstand gegen die Deutschen gekämpft habe.

Die Massaker in den Bergdörfern Ostry Grun und Klak seien eindeutig und nachweisbar von Soldaten der Waffen SS und irregulären Verbänden von Volksdeutschen des so genannten Heimatschutzes verübt worden. Letztere hätten sich für Morde an Volksdeutschen rächen wollen, die von slowakischen Partisanen zuvor begangen worden seien. Die gesamte Aktion habe sich gegen Partisanen gerichtet, die ihren Stützpunkt in dem nur schwer zugänglichen Tal bezogen hatten. "Partisanen sind Terroristen, Freiheitskämpfer oder Kriminelle. Erst am Ende eines Krieges entscheidet der Sieger, was sie wirklich waren." Die Anklage habe sich an dieser Vorgeschichte "vorbeigemogelt" und die Verbrechen der Partisanen einfach nicht zur Kenntnis genommen. "Die Gerechtigkeit sollte unteilbar sein, Herr Staatsanwalt", meinte Ufer.

Ufers Kernvorwurf zielt dabei auf die Verwertung von Aussagen aus dem Jahr 1962. Damals waren einige Mitglieder von "Edelweiß" von einem tschechoslowakischen Gericht zu hohen Haftstrafen verurteilt worden. Gegen Niznansky wurde in Abwesenheit die Todesstrafe verhängt. Die Angeklagten, so Ufer, hätten damals "wilde Geschichten" erzählt, die einer Nachprüfung nicht stand hielten. Das Verfahren 1962 sei ein "kommunistischer Schauprozess" gewesen, der später zu Propagandazwecken missbraucht worden sei. Die Angeklagten seien gefoltert und mit der Todesstrafe bedroht worden. Manche seien damals bis zu 46 Mal vernommen worden. Auf solche Aussagen, die zudem immer wieder variierten, könne kein Schuldspruch erfolgen. Besonders auffällig sei, dass im damaligen Prozess fast keines der überlebenden Opfer der Massaker ausgesagt habe. Eine Überlebende sei sogar erst 2001 erstmals vernommen worden.

Den vom Ankläger genannten "Liquidierungsbefehl" habe es nie gegeben, vielmehr habe sich die Aktion erst in ihrem Verlauf zu einem Massaker an wehrlosen Zivilisten entwickelt. Verantwortlich dafür sei aber nicht der Angeklagte, der mit seiner Einheit nie in den Dörfern, sondern nur an den Berghängen postiert gewesen sei. Niznansky bedauerte in seinem Schlusswort "zutiefst" die Opfer der Massaker. Aber er habe niemals einen Befehl zu ihrer Erschießung gegeben, vielmehr sei die Zivilbevölkerung für ihn immer "tabu" gewesen. "Ich bitte nicht um Gnade, ich verlasse mich auf die Fairness des Gerichts", sagte er. Das Urteil wird am 19. Dezember erwartet.

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