Niznansky-Prozess:"Schauprozess mit Drehbuch"

Der Anwalt des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Niznansky hat geheime Unterlagen präsentiert. Das Verfahren gegen die Mitglieder von "Edelweiß" im Jahr 1962 wurde wohl vom Zentralkomitee gesteuert.

Von Alexander Krug

Im Prozess gegen den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Ladislav Niznansky droht ein wichtiger Baustein der Anklage endgültig wegzubrechen. Es handelt sich dabei um den Prozess von 1962 in der Slowakei, bei dem 14 Mitglieder der berüchtigten Sondereinheit "Edelweiß" nach Geständnissen verurteilt wurden, unter ihnen auch Niznansky, der in Abwesenheit die Todesstrafe erhielt.

Niznansky-Prozess: Ein weiterer Teil der Anklage ist weggebrochen. Niznansky ist erleichtert.

Ein weiterer Teil der Anklage ist weggebrochen. Niznansky ist erleichtert.

(Foto: Foto: dpa)

Nach neuen Unterlagen, die Verteidiger Steffen Ufer gestern dem Gericht vorlegte, wurde der Prozess offenbar von oberster Stelle regelrecht dirigiert.

Ufer präsentierte die Kopie eines als "streng geheim" deklarierten Berichts von einer Sitzung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei (KP) der Slowakei vom Oktober 1962. Darin wurde einen Monat vor Prozessbeginn in Banska Bystrica gegen die "Edelweiß"-Mitglieder dessen Ablauf penibel festgelegt. Alle Richter und Staatsanwälte gehörten der KP an, außerdem die Mehrzahl der bestellten Verteidiger.

Angeregt wurde auch, das Oberste Gericht direkt nach Banska Bystrica zu verlegen, um umgehend auf mögliche prozessuale Beschwerden der Angeklagten reagieren zu können.

Das Gericht tagte damals vom 12. bis 22. November 1962. Die letzten beiden Tage waren für die Urteilsberatung vorgesehen. Ausgerechnet für den 21. November ordnete die KP eine "Besprechung" aller am Prozess Beteiligten an. Dabei sollten sie "Instruktionen über eine wirksame Auswertung des Prozesses" im In- und Ausland erhalten.

Für Anwalt Ufer steht damit zweifelsfrei fest, dass es sich um einen "Schauprozess mit Drehbuch" handelte. Auch die Richter des Schwurgerichts äußerten erhebliche Bedenken. "Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die Partei den Prozess gesteuert hat", formuliert es Richter Alfred Tüting.

Davon jedoch will der Zeuge nichts wissen. Martin Kovac, 71, war damals Staatsanwalt in Banska Bystrica und ist zum zweiten Mal aus der Slowakei als Zeuge angereist. Er betont erneut, dass es seinerzeit keinerlei Einflüsse von außen gegeben habe, die vorgelegten Dokumente seien ihm völlig neu. "Ich höre das hier zum ersten Mal", so Kovac.

Er sei bei dieser Besprechung am 21. November nicht dabei gewesen, im Übrigen handele es sich bei dem Dokument lediglich um eine "Anweisung", wie der Prozess progagandistisch auszuwerten sei. "Es ging um die mediale Nutzung des Verfahrens", sagt der Zeuge, alles andere sei "irrelevant".

Kovac betont, dass es Anfang der 60er Jahre in der Tschechoslowakei einen "neuen Geist" gegeben habe. "Fehler" der früheren Jahre seien beseitigt worden, beispielsweise sei die Strafprozessordnung modifiziert worden. Die Ermittlungsorgane seien deshalb direkt der Staatsanwaltschaft unterstellt und von ihr kontrolliert worden.

Kovac spricht damit die Vorwürfe ehemaliger Angeklagter an, die behaupteten, 1962 mit Drohungen und Folterungen zu Geständnissen gezwungen worden zu sein. Er könne sich an keine Verstöße in dieser Richtung erinnern, meint Kovac. "Ich habe nie eingreifen müssen." Der Prozess wird am Freitag mit der Vernehmung einer slowakischen Staatsanwältin fortgesetzt.

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