Konzert:Nils Frahm stellt in München sein neues Album vor

Konzert: "Ist es Musik für den, der sie spielt, oder den, der sie hört?" Eine Frage, die den Musiker Nils Frahm beschäftigt.

"Ist es Musik für den, der sie spielt, oder den, der sie hört?" Eine Frage, die den Musiker Nils Frahm beschäftigt.

(Foto: Ralf Dombrowski)

"Ich stelle mir Musik vor wie Bäume, die im Wald stehen", sagt der Komponist, der in der Isarphilharmonie sein wunderbar uferloses neues Programm präsentieren wird.

Von Ralf Dombrowski

Rundfunk war Prestige und Propaganda. Seit den frühen Fünfzigerjahren ließ daher die DDR die leerstehenden Hallen einer Sperrholzfabrik in der Ostberliner Nalepastraße zum Funkhaus ausbauen und erweitern, inklusive realsozialistischer Repräsentativarchitektur. Inzwischen werden die Räume allerdings privat genutzt. Nils Frahm zum Beispiel konnte eines der alten Studios anmieten, renovierte es, ließ dort den mit viereinhalb Meter Instrumentenlänge größten Flügel der Welt vertikal an die Wand bauen und experimentiert in seinem Klangreich voller Keyboards, Steuerpulten und Sound-Erzeugern, so oft er kann.

"Ich höre gerne John Cage, Nancarrow, Ligeti, die Fünfziger", meint der Wahlberliner Komponist, Pianist und Elektroniker aus Hamburg zu seinen Eingebungen. "Fluxus ist für mich eine Bezugsgröße, ich weiß gar nicht, ob ich auf diesem Musikplaneten leben könnte ohne Fluxus. Vielleicht gibt es da auch den Wunsch, Teil einer Entwicklungslinie zu sein, die die Musik in den Vordergrund stellt. Da geht es nicht um Gesichter, Namen und überhaupt ist vieles im Unklaren. Ist es Musik für den, der sie spielt, oder den, der sie hört?"

Man kennt solche Fragen in der zeitgenössischen Klassik, wo mitunter für autonom agierende Nischen komponiert wird, die sich weitgehend vom Hauptstrom des musikalischen Interesses abkoppeln. Im Pop allerdings ist das selten. Dort dominieren Marktinteressen und Verwertungskategorien, auch das mit langer Tradition.

"Man hört ja Stücke meistens in barocker Form, als hübsch dekorierte Architektur", sinniert Frahm mit Blick auf akustisches Alltagsgeschehen. "Vieles richtet sich direkt an den Hörer, versucht ihn zu bedienen, wie in einem guten Restaurant. Und ich dachte, wo sind denn die Stücke, die daran vorbei arbeiten? Ich stelle mir Musik vor wie Bäume, die im Wald stehen. Egal, ob das Leute interessiert, der Baum existiert. Er ist da. Wie ich ihn dann wahrnehme, ist erst einmal davon unabhängig".

So völlig von allem losgelöst, wie das klingt, ist Nils Frahm allerdings nicht. Er ist sogar sehr erfolgreich mit seinen Vorstellungen von Songs abseits der Zwänge von Hitparaden. Frahm produziert Soundtracks, arbeitet mit Gleichgesinnten wie Ólafur Arnalds oder Woodkid, ist viel auf Tournee und schraubt regelmäßig an neuen Projekten.

Die Lieder seines aktuellen Albums "Music For Animals" als bislang gewagtestes Experiment sind pop-untypisch gerne 20 Minuten lang, von feinen elektronischen Pulsen durchzogene Atmosphären. Das ist mühsam für die Algorithmen der Streaming-Playlists, aber offen für Ideen beim Hören. Am Sonntag stellt Nils Frahm das Programm in der Isarphilharmonie HP8 vor. Könnte ein irrisierender, freischwebender Abend werden.

Nils Frahm, So., 2. Okt., 20 Uhr, Isarphilharmonie, Hans-Preißinger-Straße 8, Tel. 21 83 73 00

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