SZ-Serie: Bühne? Frei!:Planer und Player

SZ-Serie: Bühne? Frei!: Niko Abramidis &NE, geboren 1987, lebt in München und Berlin. In Zeichnungen, Malereien, Skulpturen und Rauminstallationen erschafft er Paralleluniversen, in denen er Corporate Identities erstellt und sich Ausdrucksformen der Finanzökonomie aneignet.

Niko Abramidis &NE, geboren 1987, lebt in München und Berlin. In Zeichnungen, Malereien, Skulpturen und Rauminstallationen erschafft er Paralleluniversen, in denen er Corporate Identities erstellt und sich Ausdrucksformen der Finanzökonomie aneignet.

(Foto: Niko Abramidis &NE)

Kultur-Lockdown, Tag 103: Der Künstler schreibt seinem Publikum und sitzt auf Geldbündeln

Gastbeitrag von Niko Abramidis & NE

Im Atelier herrscht immer ein etwas anderes Licht als draußen. Jetzt in Zeiten des C wirft der Alltag manchmal lange Schatten in den Raum. Eine Maschine, die gerade fertiggestellt wurde, leuchtet geheimnisvoll und berechnet kryptische Werte. An der einzigen freien Wand hängen einige neue Porträts, die Serie heißt "Development Friends". In der Mitte des Raums, zwischen Stapeln von Papier ragt die spiegelnde Aluminium Silhouette der Skulptur "Portfolio Manager" heraus. Auf dem Schreibtisch liegen Entwürfe für eine neue Serie von Zeichnungen. Die Zeichenmaschine wartet auf ihren Einsatz und gibt ab und zu ein Zischen und Surren von sich. Aus dem kleinen Lagerraum höre ich gedämpft, wie Laos schon wieder ein Zoom Meeting hat. Das nervt in letzter Zeit. Laos sagt immer, als Künstler ist es wichtig, all die visionären Ideen aufzuschreiben und Kommunikationskanäle zu erschließen. Und diese seien in Zeiten des C natürlich vor allem digital. Diese Möglichkeiten sollte ich viel mehr nutzen, während des Lockdowns hätte ich doch genug Zeit.

Laos geht ansonsten gerne Kaffee trinken, am liebsten in stark fluktuierte Cafés, wo es viele Gespräche gibt und Gestiken, Mimiken, Charaktere. Zur Tarnung besorgt er sich immer eine Financial Times und manchmal verwickelt er Geschäftsleute in philosophische Diskussionen. Das hört sich nach einem spannenden Hobby an, das leider zur Zeit nicht möglich ist.

Diese zufälligen Einblicke in die Realität Anderer sind wichtige Inspirationsquellen. Ich entwerfe Corporate Identities auf mythologischen Pfaden, meine Arbeiten sind Hybridwesen aus verschiedenen Welten. Ausgangspunkt für alle Ideen ist die Zeichnung. Meine Zeichnungen zeigen Ausschnitte aus Handlungen, Kreaturen, Symbolhaftes, surrealistische Szenarien, Versatzstücke aus sterilen Firmenidentitäten, filmartige Settings, oft auch Komisches. Ich würde mich dennoch nicht als typischen "Zeichner" sehen. Vielmehr bin ich Literat, Geschäftsreisender, Planer und Player. Um mich herum wird viel gezählt und wenig erzählt; kurzfristige Ziele, Gewinnmargen und Wachstums-Strategien beherrschen die Entscheidungswege. Dabei geht es doch nicht um das Einzelne, sondern um das größere Ganze. Wir alle sollten an einer größeren Agenda arbeiten. Denn nicht nur was in ein paar Jahren geschieht ist wichtig, sondern die Auswirkungen unserer jetzigen Entscheidungen in 100 oder 1000 Jahren.

Hatte ich gesagt, das C wirft Schatten? Das ist nicht immer so, denn ich habe überdimensionale Geldbündel in meinem Atelier. Aber denken Sie jetzt nichts Falsches: Ich sitze bequem darauf.

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