Süddeutsche Zeitung

Crossover-Konzerte:Hits und Hymnen

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"Kool & The Gang", Amy McDonald und Nik Kershawspielen mit Chor und Orchester bei der "Night Of The Proms"-Tour in der Olympiahalle. Es werden sicherlich Tränen fließen.

Von Michael Zirnstein

Zwei Buchstaben machen einen großen Unterschied. Denn zunächst sieht es so aus, als könnte die "Night of the Proms" ein Stimmungs-Potpourri wie vor den zwei Jahren Pandemie-Pause werden, mit Kool & The Gang als Party-Garanten für die Boomer-Generation, mit einer strahlenden Rückkehrerin zu den Proms, Amy McDonald, mit Wiederentdeckungen der großen Hitparaden-Ära, Nik Kershaw und Carol Decker, mit einem gerade noch frischen Newcomer Matt Simons, mit einem typisch untypischen Klassikjungstar Yolanda Brown, und wie immer mit dem musikalischen Herz der Show, "Mr. Music" John Miles. Aber hier eben steht nun "jr." dahinter.

Dass das alles ändert, sahen die Besucher der bisherigen "Night of the Proms"-Tourstops. Denn John Miles senior starb vor einem Jahr nach kurzer, schwerer Krankheit zu Hause in Newcastle. Sein Tod riss eine große Lücke in die Pop-trifft-Klassik-Parade. Seit den Anfängen 1985 in Antwerpen war er fixer Bestandteil von Hunderten der Shows, bis auf die Jahre, da er als musikalischer Leiter und Leadgitarrist mit Tina Turner tourte. Er war Bandboss, "Freund und gute Seele", begleitete Stars von Andrea Bocelli bis Anastacia, sang selber mit erstaunlich reicher Stimme etwa "Bohemian Rhapsody" von Queen und lieferte mit seinem eigenen Jahrhundert-Song "Music (was my first love)" die Pop-Sinfonie-Hymne der Proms und damit auch einen sicheren emotionalen Höhepunkt des groß orchestrierten Spektakels.

Entsprechend flossen bei den bisherigen Shows '22 die Tränen, als ein einsamer Mikroständer angestrahlt wurde und Miles' Stimme vom Band Sinatras "My Way" sang. Das treue Proms-Publikum versteht sich als Familie, man trauerte, aber man nahm auch seinen Sohn John Miles jr. herzlich auf, als der am Flügel die Hymne seines Vaters anstimmte.

Sehr berührt war das Publikum auch, als Yolanda Brown berichtete, sie habe gerade vom Tod ihrer Oma erfahren. Sie habe sie unterrichtet, habe ihr alles beigebracht - und das ist allerhand. Die Britin, die hier als "Klassiksolistin" präsentiert wird, ist eine der größten Jazz-Aufsteigerinnen ihres Landes; die Saxofonistin gewann als Erste zweimal in Folge den "Mobo Award". Die 40-Jährige ist Vorsitzende der größten britischen Musik-Benefiz-Institution und Ehrendoktorin der Universität East London.

Proms kommt zwar von den Promenaden, aber Prominenz ist ihre Zugkraft. Und diese Popularität erlangen die Künstler vor allem durch Hits, die jeder mitpfeifen kann, die aber herausgeputzt durch das Antwerp Philharmonic Orchestra und den Chor Fine Fleur meist noch eine ganz andere Wucht bekommen. Kool & The Gang als Hauptnummer 2022 haben gut 25 Songs in die Top-Ten gejagt. Die Soul-Funk-Evergreens "Celebration", "Get Down On It", "Ladies Night", "Fresh" haben Partygenerationen seit Ende der Siebziger auf die Disco-Dancefloors getrieben und die Hip-Hop-Pioniere beeinflusst.

Von Nik Kershaw, der später auch für Elton John schrieb, erinnert sich der Radiohörer noch an "Wouldn't It Be Good" oder "I Won't Let The Sun Go Down On Me" und bei Carol Decker an ihr One-Hit-Wonder mit T'Pau "China in Your Hand". Die Schottin Amy McDonald wiederum hat nach ihrer schmissigen Nummer Eins "This Is The Life" von 2007 fünf Alben voll gepackt mit engagiertem Folk, und von Matt Simons wird man noch weit mehr hören als seinen einstigen Sommer-Hit "We Can Do Better".

Night of the Proms, Fr., 16.Dez., 20 Uhr, Sa., 17. Dez., 20 Uhr., So., 18. Dez., 15 Uhr, München, Olympiahalle

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