Kurzkritik:Eine Idee von Rock

Kurzkritik: Metaversion eines Pop-Konzertes: Katherina Bach und ihr Nick-Cave-Abend.

Metaversion eines Pop-Konzertes: Katherina Bach und ihr Nick-Cave-Abend.

(Foto: Jessica Schäfer)

Katharina Bach singt Nick Cave in den Münchner Kammerspielen.

Von Christian Jooß-Bernau, München

Es gibt Goldflitter, es gibt Bühnennebelschwaden. Der eiserne Vorhang fährt hinunter. Er fährt hinauf. Eine riesige Pauke lässt den Bauch vibrieren. Videoprojektionen nackter Körper in embryonaler Haltung drehen sich schwerelos über der Band wie Brathendl. Katharina Bach singt Nick Cave, ihre Band Bitchboy spielt. "The Fe.Male Trail" heißt der Abend in den Münchner Kammerspielen, dessen Irritation schon früh beginnt. Nein, Getränke nur im Vorraum, kein Bier vor der Bühne. Einlass: Auf der Bühne scheinen die Musiker zu schlafen - Soundkulisse aus Klang und Wort.

Dies wird kein Rock-Konzert. Es ist die Metaversion einer Rock-Show. Katherina Bach hat eine Stimmwucht, die mühelos die Caveschen Songs ausformt. Gitarrist Tomek Witiak, Pianist Yuriy Sych, Bassist Tim Roth und Schlagzeuger Martin Standke liefern mit erstaunlicher Präzision die Nummern in glanzpolierter Form. Vor dem Bassisten: ein Laptop, der den Klangraum mit Samples weitet. Der Pianist hat vor sich ein analoges Synthesizermonster, das bis heute eine bessere Zukunft verspricht. Katharina Bach ist inspiriert von Caveschen Bühnenposen - große Gesten, die gerne aus der Hüfte kommen. "Do You Love Me?", "Fifteen Feet Of Pure White Snow". Zwischen den Liedern gibt es Textgewalt auf deutsch. Es türmt sich rasend Tod auf Eros auf Religion auf Wahn auf Witz, bis jeder Sinn begraben ist. Bach spielt Trompete vom Balkon und singt einige Kostümwechsel später, ganz in Schwarz, eine waghalsig reduzierte Version von "No More Shall We Part", die so spröde knistert, dass der Einsatz der Band den Raum dann leuchten lässt.

Nur scheint eben hinter all der Konzeption des Abends noch Nick Cave durch. Beispielsweise sein "Red Right Hand". Es gab Konzertmomente, da riss mit dem Glockenschlag die Erde auf. Cave war Prophet, Wahnsinniger. Hier ist die Hölle Schauspiel, und Bach läuft im Hintergrund, weihrauchschwenkend mit Tiara. Auf seinem neuen Album spricht Nick Cave Gott auf den Anrufbeantworter. Wieder und wieder. Und hofft, dass endlich einer abhebt. Er hat seine Gründe. Sie reichen tiefer, als diese Bühnenperfektion sie fassen kann.

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