Selbst mit dicken Haut-Schuppen und schiefem Raubtiergebiss kann Nick Carter noch entzücken. In der US-Ausgabe der Fernseh-Show „The Masked Singer“ war der Sänger vor zwei Jahren als rosa Krokodil mit Federboa kostümiert und becircte die Jury um Nicole Scherzinger mit krokodilstränenreichen und reißerischen Hymnen wie „Open Arms“. Zwar landete er im Finale nur auf Platz drei, wurde aber bei der Enthüllung seiner Identität gepriesen wie der größte Weltstar, den die USA je hervorgebracht haben.
Ein Weltstar ist er zweifelsohne, gehört er doch seit 30 Jahren, seit seinem 13. Lebensjahr, der einst übermächtigsten aller Boygroups an, den Backstreet Boys. Keine andere reichte an ihre 130 Millionen verkauften Platten heran, nirgends kreischten die Fan-Mädchen lauter. Auch vor zwei Jahren in der Olympiahalle, immer noch unterwegs auf der „DNA“-Tour, rissen die gereiften Buben vom Hinterhof bei aller inszenierten Selbstironie mit ihren Stimmen, Streetdancemoves und Blicken die mitgealterten Fans noch zu den schönsten Mitsing-Chören und den ekstatischsten Kollektivausrastern hin.

Gut, man muss sagen, Robbie Williams (Take That), Justin Timberlake (N’Sync, solo am 21. und 22. August in der Olympiahalle) und Harry Styles (One Direction) setzten ihrer Boyband-Karriere jeweils noch einen drauf und machten in den Stadien der Welt weiter. Nick Carter bleibt in München die Theaterfabrik, und es gibt für sein Solo-Konzert sogar noch Karten. Haben die Anhänger etwa nichts mitbekommen von seiner „Who Am I“-Welttour – bei der fast die Hälfte der Setlist aus BSB-Hits von „Larger Than Life“ bis „Everybody“ besteht?

Kennern zumindest, und damit meinen wir: den Ur-Fans, gilt der jüngste Backstreet-Boy auch als der süßeste, smarteste und hübscheste. Unproblematisch war sein Leben freilich nicht: die vielen Kinder-Castings für TV-Rollen, der zu frühe, zu große Ruhm, die Zerrüttung der ehrgeizigen Familie (zu sehen in der Reality-Serie „House of Carters“), der viel zu frühe Tod von dreien seiner vier Geschwister, die Herzkrankheit, die Drogen ... Somit ist jede Filmrolle („The Hollow“), jeder TV-Auftritt (Zweiter bei „Dancing With The Stars“), jedes Solo-Album seit 2002 (wie zuletzt „All American“) wieder ein Neuanfang, ein Lebenszeichen, ein „Ich kann es auch alleine“. Allerdings nicht ohne seine Frau und seine Kinder. Die spielen auch im neuen Video zu „Superman“, einer von vier neuen Singles, eine Rolle. Da singt Nick für seine Frau Lauren Kitt Carter: „I Ain’t Nobody’s Superhero, But I Can be Your Superman.“ Entzückend!
Nick Carter, Dienstag, 23. Juli, 20 Uhr, München, Theaterfabrik