Neuried:Das alte Flair muss auch noch mit

1000 Umzugskisten, schwere 16-Tonner: Übers Wochenende haben die Neurieder Rathaus-Mitarbeiter den Wechsel von der Planegger Straße in einen Neubau am Hainbuchenring geschafft - und öffnen am Dienstag wieder

Von Johannes Korsche, Neuried

Neuried: Alles ist bereit für den Umzug aus dem alten Rathaus.

Alles ist bereit für den Umzug aus dem alten Rathaus.

(Foto: Robert Haas)

Es wirkt ein wenig fehl am Platz, was da in einem Büro des nun "alten Neurieder Rathauses" auf einem Whiteboard geschrieben steht. Aber es steht da, im ersten Stock gegenüber der Bürotür, schwarzer Marker auf weißem Board: "Bleibt hier!" Dabei muss doch seit Freitagmorgen nahezu alles raus: Computer, Tische, Stühle, Pflanzen, ein Kickertisch - und natürlich Akten, Akten, Akten. All das wurde in 1000 Umzugskartons verpackt, in Lastwagen verfrachtet und etwa einen Kilometer durch Neuried gefahren. Die 25 Gemeindemitarbeiter und der Bürgermeister sind nun nicht mehr in dem 1912 erbauten Häuschen an der Planegger Straße zu finden. Nachdem dort zunächst die Neurieder Schule untergebracht war, dann seit 1959 das Rathaus, zieht voraussichtlich das Bauamt in das historische Häuschen. Das Rathaus ist in den ersten Stock eines modernen Neubaus mit Glasfassade am Hainbuchenring umgezogen.

Freitag und Samstag sind die Lastwagen den ganzen Tag zwischen Ortsmitte und Gewerbegebiet gependelt, damit zumindest der Sonntag für alle frei ist und die Büros am Montag eingeräumt werden können. Als am Freitagmorgen die acht Umzugshelfer samt der schweren 16-Tonner anrücken und beim Parken nahezu das ganze Rathaus hinter sich verbergen, liegt fast ein Jahr Vorbereitungszeit hinter ihnen. Anfang April ging die Arbeit für Ismail Kaya los. Der 26-Jährige studiert eigentlich im letzten Bachelor-Semester Volkswirtschaftslehre. Aber als Werkstudent ist er für die Umzugsorganisation zuständig.

Neuried: In die alten Räume wird im Frühjahr vermutlich das Bauamt einziehen.

In die alten Räume wird im Frühjahr vermutlich das Bauamt einziehen.

(Foto: Robert Haas)

Vergangenen April besuchte er mit einer Kollegin das moderne Glashaus im Gewerbegebiet. Was folgte, war das Komplizierteste am Umzug, wie gleich mehrere Beteiligte sagen: das Einholen der gesetzlichen Vorgaben, die eine Gemeindeverwaltung erfüllen muss. Vom Brandschutz bis hin zum Behindertenparkplatz - alles musste im Vorfeld abgehakt werden. Und es galt zu klären, wo die Wände in den neuen Büros eingezogen werden müssen.

Während Kaya gerade die Logistik erklären will, steckt jemand den Kopf zur Tür herein und sagt mit Nachdruck in der Stimme: "Herr Kaya, wir brauchen Sie jetzt. Mit einem Plan." Da muss er weg, er hat ja den Plan geschrieben. Auf allen Umzugskartons ist vermerkt, was genau von welcher Abteilung drin ist. Und an jedem Zimmereingang, auch im neuen Rathaus, hängt ein Zettel, der erklärt, was im alten Büro einzupacken beziehungsweise wie das neue Zimmer einzurichten ist. Kaya weiß also, was einzuladen ist und was nicht.

Neuried: So geht's: Koordinator Ismail Kaya und Spediteur Ulrich Noack (mit Mütze) erörtern die letzten Details.

So geht's: Koordinator Ismail Kaya und Spediteur Ulrich Noack (mit Mütze) erörtern die letzten Details.

(Foto: Robert Haas)

Wie zum Beispiel das beschriftete Whiteboard, dem der Umzug verwehrt bleibt. Das Board hängt in Inke Franzens Büro, sie ist für die Öffentlichkeitsarbeit der Gemeinde zuständig, bringt zum Beispiel die Rats(ch)post heraus, die alle zwei Monate über das Gemeindeleben informiert.

Doch ein bisschen drückt das "Bleibt hier!" auch Franzens Gemütslage aus. So ganz hat sie sich noch nicht mit dem Gedanken angefreundet, dass sie seit diesem Montag nicht mehr in ihrem alten Büro sitzt. Mit "eindreiviertel weinenden Augen" blickt sie auf das Umzugstreiben um sich herum, während der Umzug im vollen Gange ist. Als Ismail Kaya gerade wieder weg ist, scherzt sie: "Vielleicht spreize ich mich in die Tür, wenn es soweit ist." So modern und schön die neuen Räume am Hainbuchenring auch sein mögen, ob sich darin auch so eine familiäre Atmosphäre entwickelt, wie sie Franzen mit den alten Büros verbindet - wer weiß das schon? "Ob dieses Flair bleibt?", fragt sich Franzen. Sie hofft es zumindest.

Neuried: Stapelweise Akten müssen mit, und auch die Kunst wird nicht vergessen.

Stapelweise Akten müssen mit, und auch die Kunst wird nicht vergessen.

(Foto: Robert Haas)

Und Hoffen scheint angebracht zu sein. Denn noch wirkt das neue Neurieder Rathaus am Hainbuchenring 9 ein wenig steril. Statt der Grundschulkinder sind Rossmann- und Kik-Kunden die neuen Nachbarn. Beim Betreten des ersten Stocks riecht es nach Farbe und neuen Möbeln; der "Wartebereich" ist schon ausgeschildert. Es herrscht Arztpraxis-Atmosphäre. Daran ändern auch die Krapfen wenig, die jemand auf der Rezeption zum Naschen abgestellt hat. Allerdings sind die Büros auch noch nicht eingeräumt, die Umzugskartons, aus denen manchmal die grünen Blätter einer Pflanze ragen, stehen noch unausgepackt in den Ecken der Büros. Das Flair muss erst noch ausgepackt werden, das Flair muss erst noch einziehen.

Dafür hat das neue Rathaus das, was dem alten Rathaus vielleicht am meisten fehlte: Platz. Genügend davon, um die Verwaltung wieder zusammenzuführen. So ist das Standes-, Ordnungs- und Friedhofsamt wieder Tür an Tür mit den anderen Abteilungen untergebracht, wie auch die Kita-Verwaltung. Mit Ausnahme des Bauamts, das voraussichtlich im April ins alte Rathaus zieht, sind nun wieder alle Verwaltungsbereiche vereint.

Neuried: Die neuen Räume liegen zwar im ersten Stock, sind aber barrierefrei erreichbar.

Die neuen Räume liegen zwar im ersten Stock, sind aber barrierefrei erreichbar.

(Foto: Robert Haas)

Überhaupt bietet das neue Rathaus ein paar Vorteile. Trotz der Lage im ersten Stock ist es barrierefrei zugänglich, das Einwohnermeldeamt und das Standesamt verfügen über eigene Räume. Für fünf Jahre hat die Gemeinde die Räume gemietet, um ein Jahr ließe sich der Vertrag verlängern. Und dann? Vielleicht ist bis dahin die Ortsmitte mitsamt neuem Rathaus ja fertig gebaut. Und Franzen und ihre Kollegen können wieder an die Planegger Straße ziehen. Ganz in die Nähe des liebgewonnenen alten Rathauses. Zumindest ein paar Dinge haben sich trotz des Umzugs nicht geändert. Auch für Inke Franzen nicht. Die Öffnungszeiten und die Telefondurchwahlen sind gleich geblieben. Am morgigen Dienstag ist Premiere in den neuen Räumen.

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