Neuried:Das 13-Millionen-Euro-Loch

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Die neue Schule wird teurer, ein Grundstücksverkauf verzögert sich, Zuschüsse bleiben aus, die Einnahmen aus der Einkommensteuer sinken: Die Kommune muss plötzlich radikal sparen. Damit tun sich die Gemeinderäte schwer

Von Annette Jäger, Neuried

Die Haushaltslage der Gemeinde Neuried ist "dramatisch". Dieses Wort fiel in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am Dienstagabend, und anders lässt sich die finanzielle Lage der Kommune auch kaum beschreiben. Der Verwaltungshaushalt ist in seiner jetzigen Form nicht genehmigungsfähig, es fehlen rund 1,8 Millionen Euro, um ihn zu decken. Und wenn alle geplanten Investitionen umgesetzt werden sollen, tut sich im Vermögenshaushalt ein Loch von 11,6 Millionen Euro auf. In zwei jeweils dreistündigen Haushaltsberatungen am Montag und Dienstag haben die Gemeinderäte die prekäre Finanzlage diskutiert.

Der Neurieder Haushalt war schon immer knapp. Dass sich die Lage jetzt so dramatisch zuspitzt, hat viele Gründe. So hat der Gemeinderat zum Beispiel in den vergangenen Jahren freiwillige Leistungen wie die Zuschüsse an die Vereine meist ungekürzt gewährt, "das haute immer irgendwie hin", sagte Bürgermeister Harald Zipfel (SPD) auf Anfrage. Daneben wurde Personal aufgestockt, und man gewährte der Musikschule im Zuge des Teilneubaus der Grundschule eigene Räume. So manche Finanzentscheidung fällt den Neuriedern jetzt auf die Füße. Etwa ein ausbleibender Zuschuss für die neuen Musikschulräume. "Davor hatte ich gewarnt", so Zipfel.

Der Ersatz fürs alte Rathaus ist noch nicht finanziert. (Foto: Robert Haas)

Gleichzeitig wird der Schulbau um satte 1,9 Millionen Euro teurer als ursprünglich geplant, und ein Grundstücksverkauf in der Ortsmitte, der mindestens 16 Millionen Euro in die Kasse spülen soll, konnte bisher nicht realisiert werden. "Das alles hat die Situation immer prekärer gemacht", sagt der Bürgermeister nicht ohne Frust in der Stimme. Das Sahnehäubchen an Negativnachrichten kam dann noch durch ein neues Berechnungsmodell bei der Ermittlung der Steuerkraftzahl obendrauf: Künftig fehlt der Kommune jedes Jahr eine halbe Million Euro Einkommensteuereinnahmen. "Das ist fatal."

Eines machte der Bürgermeister deutlich: Es muss radikal gespart werden, es müssen Einnahmen generiert oder eben Projekte gestrichen werden. Die Finanzierung des Rathauses, das auf vier Jahre verteilt 11,5 Millionen Euro kosten soll, sei jedenfalls nicht gesichert. Die Einsparungen, wie sie am Montag in der ersten öffentlichen Haushaltsberatung im Sozial- und Kulturausschuss besprochen wurden, sind dem Bürgermeister nicht genug, "uns fehlen die großen Brocken". Einigen konnte sich das Gremium auf eine Gebührenerhöhung für die Kinderbetreuungseinrichtungen von September 2021 an. In welchem Umfang, ist noch unklar.

Mit dem gezückten Rotstift ging es am Dienstag weiter in die Beratungen im Haupt- und Finanzausschuss. Einen der gewünschten "großen Brocken" bot die Musikschule freiwillig an: Auf fast den halben Zuschuss - 100 000 Euro - will die Institution 2021 verzichten. "Das ist unser Existenzminimum", sagte Musikschulleiter Christoph Peters. "Dieser radikale Vorschlag ist unsere Pflicht." Klar machte er aber auch, dass 2022 wieder mehr fließen muss, sonst "fahren wir an die Wand".

Auch der TSV versicherte, auf zehn Prozent des Zuschusses - 20 000 Euro - verzichten zu können. Der Verein hat selbst mit Mitgliederschwund aufgrund der Pandemie zu kämpfen. Andere Vereine müssen ebenfalls eine Zehn-Prozent-Kürzung der Zuschüsse hinnehmen. Zudem soll der Livestream, mit dem derzeit Gemeinderatssitzungen online übertragen werden, eingestellt werden, die Ausgaben für das Mobilitätskonzept wurden für das laufende Jahr erst mal halbiert.

Das Gremium tat sich sichtlich schwer, Streichungen vorzunehmen, und noch schwerer, Entscheidungen zu treffen, wie sich Einnahmen generieren ließen. Die Einführung einer Zweitwohnungssteuer wurde der Verwaltung nur zögerlich zur Überprüfung übergeben, die Idee, die Gewerbesteuer anzuheben, stieß auf noch weniger Begeisterung. Eine Anhebung des Hebesatzes würde zwar gleich etwa 400 000 Euro Mehreinnahmen ausmachen. Doch erst mal wollen die Gemeinderäte die Finger davon lassen. Es sei ein "schlechtes Signal nach außen", sagte Marianne Hellhuber (CSU). Schließlich wolle man ja Gewerbe ansiedeln, ein höherer Hebesatz sei kein Lockmittel. Auch Bürgermeister Zipfel sieht das kritisch. Wenn überhaupt, dann komme das nur für eine zeitliche Befristung auf ein Jahr infrage. Am Dienstag, 9. Februar, geht es im Bauausschuss weiter mit den Beratungen. Dann stehen vor allem geplante Bauprojekte im Fokus.

© SZ vom 21.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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