Süddeutsche Zeitung

Neuperlach:Stopp-Signal nach dem Gewitter

Anwohner aus Waldperlach und Neubiberg protestieren vehement gegen den geplanten U-Bahn-Betriebshof in Neuperlach Süd. Sie fürchten den Lärm vom Bremstestgleis, das rund um die Uhr betrieben werden soll

Von Hubert Grundner, Neuperlach

Blitze, Donnerschläge und ein heftiger Regenguss kurz vor der Sitzung des Bezirksausschusses (BA) 16 Ramersdorf-Perlach - das hat zur Einstimmung schon mal gepasst. Denn was sich danach am Donnerstagabend im Truderinger Kulturzentrum zutrug, das zeigte ebenfalls Ähnlichkeit mit einem sich entladenden Gewitter: Geschätzt 30 bis 40 Anwohner und Anwohnerinnen waren gekommen, um ihrem Protest gegen die bisher bekanntgewordenen Pläne für einen U-Bahn-Betriebshof in Neuperlach Süd Nachdruck zu verleihen. Coronabedingt fand allerdings nur ein kleinerer Teil von ihnen einen Platz im Saal beziehungsweise auf der Empore, während die Mitstreiter im Vorraum warten mussten.

Verantwortlich für den Aufruhr, den das Vorhaben im Osten der Stadt ausgelöst hat, sind die Stadtwerke München (SWM) respektive die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG). Dabei klingt das, was zu dem Vorhaben auf ihrer Homepage steht, eigentlich ganz vielversprechend: "Wir planen in Neuperlach Süd einen zweiten U-Bahn-Betriebshof zu errichten. Dieser soll zwischen Arnold-Sommerfeld-Straße, Lise-Meitner-Weg und der südöstlich gelegenen Kleingartenanlage entstehen und voraussichtlich 2026 fertiggestellt werden."

Der Neubau des Betriebshofs Süd werde eines der bedeutendsten U-Bahn-Projekte der kommenden Jahre und sei eine Voraussetzung dafür, den Münchnerinnen und Münchnern auch weiterhin eine leistungsstarke und verlässliche U-Bahn anbieten zu können. Einer breiteren Öffentlichkeit stellte die MVG die Pläne zuletzt am 12. Mai bei einer virtuellen Infoveranstaltung vor.

Auf diese Veranstaltung bezog sich auch der BA-Vorsitzende Thomas Kauer (CSU), als er mit einiger Verzögerung die Sitzung eröffnete: Einerseits lobte er das Bemühen der MVG um Aufklärung, andererseits fand er dann doch einiges "überraschend", was er bei der Präsentation zu hören bekam - insbesondere zu einem sogenannten Abnahme- und Bremstestgleis. Gemeint war damit insbesondere dessen Länge, Lage und Lärmbelastung, die davon vermutlich ausgehen wird.

Das ist im Kern auch die Hauptsorge, welche die Menschen in den umliegenden Wohnquartieren umtreibt. Praktisch alle Bürgeranträge zum U-Bahn-Betriebshof beschäftigen sich im Wesentlichen damit. Dies bestätigte auch Wolfgang Thalmeir (CSU) als Vorsitzender des Unterausschusses Bauvorhaben, Stadtplanung und Stadtteilentwicklung (BSS), des Gremiums also, das die Anträge vorberaten hat. Laut Thalmeir werden insbesondere das Bremstestgleis, der dort geplante 24-Stunden-Betrieb und die hierfür vorgesehenen Lärmschutzmaßnahmen beanstandet. Überhaupt würden ganz generell ein unzureichender Lärmschutz sowie ungenügende und unklare Schallschutzmaßnahmen moniert. Von den Bürgern gefordert werde hingegen eine komplette Einhausung der Anlage sowie eine unterirdische Führung der Abnahme- und Bremsteststrecke.

Von dem Protest, der nach der Präsentation des geplanten U-Bahn-Betriebshofes durch die MVG im Mai losbrach, zeigte sich Thalmeir alles andere als überrascht. Vielmehr habe ihn verwundert, dass diese Reaktion auf das große und bedeutende Vorhaben so lange auf sich warten ließ. Vermutlich sei dies aber der durch die Corona-Pandemie erschwerten Öffentlichkeitsbeteiligung geschuldet. Einhelliges Fazit im UA Bauvorhaben: "Die Anfragen, Anregungen, Einsprüche und Bedenken der Bürger sind in jedem Fall sehr ernst zu nehmen und müssen im Detail geprüft und beantwortet werden." Dieser Empfehlung entsprach letztlich der gesamte Bezirksausschuss: Er leitet deren Anträge an die Stadtwerke weiter mit der Bitte, zu den einzelnen Punkten detailliert Stellung zu nehmen. Dabei solle nochmals ausführlich erklärt werden, welche Immissionen vom gesamten Betriebshof und welche vom Abnahme- und Bremstestgleis zu erwarten sind.

Ferner fordern die Lokalpolitiker "eine offene, transparente und verständliche Darstellung", welche Grenzwerte nach den geltenden Richtlinien einzuhalten sind und wie dies gewährleistet werden kann. Auf Vorschlag von Beatrix Katzinger (Grüne) soll die MVG auch Auskunft dazu geben, mit welchem Lärm zu rechnen ist, wenn die U-Bahn-Züge von der jetzigen Endstation Neuperlach Süd weiter zum künftigen Betriebshof fahren.

Die Anträge will Thomas Kauer nun umgehend an die Stadt weiterleiten, denn es pressiert einigermaßen: Ihm zufolge befassen sich die Mitglieder des Planungsausschusses bereits am Mittwoch, 16. Juni, mit der für das Projekt notwendigen Änderung des Flächennutzungsplanes. In der Post vom BA werden die Stadträte dann auch eine Liste mit mehr als 700 Unterschriften von Unterstützern vorfinden, die sich gegen den U-Bahn-Betriebshof in seiner bislang bekannten Planung aussprechen. Gesammelt wurden diese von einem Kreis engagierter Bewohner aus dem östlichen Waldperlach sowie der Bürgerinitiative (BI) "Saubere Luft für Neubiberg und Waldperlach". BI-Sprecher Oliver Hellmund bedankte sich ausdrücklich für den Beistand aus dem BA. Er wie auch Wolfgang Dowie aus der Rotkäppchenstraße fordern von der MVG erhebliche Änderungen an der Planung des U-Bahn-Betriebshofs und wollen daran auch mitwirken. Das bisherige Prozedere wollen sie nicht hinnehmen, oder wie Dowie sagte: "So geht es nicht, so darf es nicht sein."

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SZ vom 12.06.2021
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