Neuperlach:Kunst für den Spatz

Vögel haben sich in einer umstrittenen Skulptur angesiedelt, die manche verschrotten wollen. Jetzt wird das Werk verlegt

Von Hubert Grundner, Neuperlach

"Die Spatzen liegen mir besonders am Herzen, weil sie für mich einfach zu München gehören. In den letzten Jahren sind sie immer weniger geworden, sie sind in unserer Stadt mittlerweile eine bedrohte Art." Mit diesen Worten begründete SPD-Stadträtin Bettina Messinger, warum sie den Antrag gestellt hat, auf dem Hanns-Seidel-Platz in Neuperlach trotz Bebauung einen Rückzugsort für die Sperlinge sicherzustellen. Dieser Initiative kommt die Stadt jetzt nach. Am Dienstag, 18. September, soll die Skulptur "Legung III" des Künstlers Adrian Marynak zunächst vom Kulturbürgerhaus zum Spatzenturm und später zum endgültigen Standort auf dem Hanns-Seidel-Platz versetzt werden. Denn aus dem Stahlgeflecht, das einem überdimensionalen Wollknäuel ähnelt, ist im Lauf der Jahre eine regelrechte Spatzenoase geworden.

Spatzen-Rückzugsort Hanns-Seidel-Platz

Stahlknäuel als Oase für Sperlinge.

(Foto: Bettina Messinger)

Und diese Haussperlinge will die Stadt nun während der Abbrucharbeiten am Kulturhaus schützen. So hat das Kommunalreferat laut Rathauspressestelle den erwähnten Spatzenturm sowie einen zirka 300 Quadratmeter großen Schutzbereich finanziert. Die Skulptur werde neben diesen Schutzbereich gesetzt. Naturschützer sowie Bürgerinnen und Bürger hätten stets präferiert, die Skulptur nicht nur wegen ihrer Bedeutung als Kunstwerk zu erhalten, sondern auch wegen der Vögel. So könnten die Spatzen trotz Versetzung ihres "Zuhauses" weiter am Hanns-Seidel-Platz bleiben. Auch Kommunalreferentin Kristina Frank sieht in der Rettungsaktion, die mit dem Landesbund für Vogelschutz abgestimmt wurde, "einen Beitrag für Kunst und Artenschutz gleichermaßen". Auf so viel Verständnis stieß man unter den Mitgliedern im Bezirksausschuss Ramersdorf-Perlach nur bedingt.

München, Hanns-Seidel-Platz

Die Stadt will die Vögel während der Abbrucharbeiten am Kulturhaus am Hanns-Seidel-Platz schützen.

(Foto: Angelika Bardehle)

Das zeigte sich am Stimmungsbild innerhalb des Gremiums, wie es BA-Vorsitzender Thomas Kauer (CSU) noch im August in einem Schreiben an das Kulturreferat zeichnete: "Es gibt Stimmen, die mit Nachdruck anregen, das Kunstwerk zu verschrotten, da es ein Anziehungspunkt für Ungeziefer und Ratten ist, regelmäßig zum Urinieren zweckentfremdet werde und darüber hinaus kein künstlerischer Wert erkennbar sei beziehungsweise das Kunstwerk keine Botschaft entfalte." Demgegenüber standen Stimmen, die das Kunstwerk insbesondere aus ornithologischen Gründen für wertvoll erachteten, nämlich als Brutstätte für Sperlinge. Kauer weiter: "Als Kompromiss habe wir uns nun zunächst darauf verständigt, Sie darum zu ersuchen, das Kunstwerk transportfähig zu machen, da diese Eigenschaft der kleinste gemeinsame Nenner zwischen Verschrottung und Verlegung war." Geld wollten die Lokalpolitiker dafür aber nicht locker machen. Abschließend bat Kauer in seinem Schreiben an das Kulturreferat, die "Sperlingsthematik" einmal aus naturschutzfachlicher Perspektive prüfen zu lassen.

Offenbar ist das inzwischen geschehen, wie die BA-Mitglieder in ihrer jüngsten Sitzung erfuhren. Laut Kulturreferat ist das Kommunalreferat seit langer Zeit in engem Kontakt mit dem Landesbund für Vogelschutz (LBV). Mit ihm sei auch der neue Standort des Kunstwerks abgestimmt. Überhaupt begrüße es der LBV sehr, dass die Skulptur weiterhin für die Spatzenpopulation zur Verfügung stehe, denn: "Spatzen nutzen ihre Schutzelemente über Generationen hinweg, der Verlust der Schutzelemente kann zum Abwandern und Erlöschen der lokalen Population führen." Ihre Ortstreue wird den Sperlingen also zum Verhängnis, falls man ihnen nicht hilft. Etwas mehr Beistand der Lokalpolitiker als ihren direkten Nachbarn im Kulturhaus hätten die Vögel verdient: Die Bebauung des Hanns-Seidel-Platzes hat den BA ja ebenfalls unfreiwillig zum Umzug gezwungen.

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