Neuperlach:Ein Parkplatz, der es in sich hat

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Der Bezirksausschuss sieht sich beim Beschluss zur Bebauung des Siemens-Areals übergangen und hegt rechtliche Bedenken an dem Verfahren. Zudem pocht eine Bürgerinitiative auf eine Schutzzone nördlich des Otto-Hahn-Rings

Von Hubert Grundner, Neuperlach

Man kann einem Projekt grundsätzlich zustimmen und dennoch harsche Kritik üben - an Details ebenso wie am Vorgehen des Planungsreferats ganz allgemein. Genau das hat der Bezirksausschuss (BA) 16 Ramersdorf-Perlach in seiner Stellungnahme zur Bebauung des Siemens-Parkplatzes nördlich des Otto-Hahn-Rings getan. Zur Debatte stand der Entwurf des Eckdatenbeschlusses, der am Mittwoch, 25. September, den Stadträten zur Abstimmung vorgelegt wird. Und auch die Bürgerinitiative läuft noch einmal Sturm gegen die Pläne des Investors: In einem Schreiben an die Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat appellieren sie an diese: "Fallen Sie bitte nicht auf die Tricks und Täuschungsversuche des Referats für Stadtplanung und Bauordnung herein!"

Doch der Reihe nach: Der Ärger begann aus Sicht der Lokalpolitiker bereits mit der Zuleitung der 65 Seiten starken Vorlage des Eckdatenbeschlusses. Darin nimmt das Planungsreferat zu 28 Einwendungen, Änderungsanträgen und Empfehlungen aus der Bürgerversammlung Stellung. In der zur Verfügung stehenden kurzen Zeit sei es den ehrenamtlichen Mitgliedern des Unterausschusses Bau, beklagen diese, weder möglich gewesen, die Änderungen am Eckdatenbeschluss herauszufiltern, noch mit der gebotenen Sorgfalt zu analysieren, wie die Verwaltung die Einwendungen der Bürger und des BA behandelt hat. Die sonst übliche Frist von sechs Wochen bis zur Abgabe einer Stellungnahme sei nicht gewährt worden. Das Planungsreferat stellte sich auf den Standpunkt, dass der BA formal bereits zu dem Eckdatenbeschluss angehört worden sei. Rein formal betrachtet, könne man diese Auffassung vertreten, räumen die BA-Mitglieder ein. Allerdings fügen sie hinzu: Bürgernähe, Offenheit und Transparenz sei etwas anderes. Nachbarn und Anwohner, Bürger aus dem Stadtgebiet und Lokalpolitiker, die sich die Mühe machten und ihre Einwendungen bei Versammlungen vortrugen, müssten die Art und Weise, wie das Planungsreferat damit nun verfährt, als Affront empfinden. Der immer wieder postulierten Wichtigkeit der Bürgerbeteiligung werde so sicher nicht Rechnung getragen.

Umstrittenes Areal: Die HIH Real Estate GmbH steht bereit, die als Parkplatz genutzte Fläche in Neuperlach zu bebauen. (Foto: Florian Peljak)

Davon abgesehen hegt der BA rechtliche Bedenken an dem Verfahren: Wenn der Eckdatenbeschluss geändert wurde, und sei es nur marginal, dürfte ein neues Anhörungsrecht laut Satzung vorliegen. Des Weiteren habe sich bei erster Durchsicht gezeigt, dass zumindest eine Abänderung der Höhenentwicklung der Bebauung von 57 Metern auf 45 Meter erfolgt ist - wofür keine Begründung geliefert wurde. Wobei es selbst für eine Höhenentwicklung von "nur" 45 Metern im unmittelbar angrenzenden Gebiet südlich der Putzbrunner Straße keine Entsprechung gebe.

Nach wie vor kritikwürdig sei, dass es sich um eine isolierte Einzelplanung einer Freifläche in Form eines ehemaligen Parkplatzes handele. Fraglich sei ferner, "ob dieses Gebiet überhaupt isoliert überplant werden kann, nachdem es in unmittelbarem Zusammenhang mit der Industriebebauung des Siemens-Areals steht". In jedem Fall fehle hier jegliches Gesamtkonzept für diesen Bereich des Stadtviertels: "Was ist mit dem U-Bahn-Betriebshof, der Nutzung der angrenzenden Flächen, der Verkehrsführung dort, den Flächen an der Arnold-Sommerfeld-Straße und den möglicherweise in den nächsten Jahren zusätzlich frei werdenden Flächen im Bereich der derzeitigen Industriebauten südlich des Otto-Hahn-Rings?", wollen die Lokalpolitiker wissen. All das gelte es zu klären, bevor man sich auf das Maß der künftigen Bebauung des Siemens-Parkplatzes festlegt. Der BA fordert die Stadträte auf, die Vorlage des Eckdatenbeschlusses abzulehnen, von der Tagesordnung zu nehmen und sicherzustellen, dass die Einwendungen der Bürger und des BA 16 angemessen gewürdigt werden.

Dies wäre sicherlich auch im Sinne der Bürgerinitiative, die sich gegen das Vorhaben in seiner bisher bekannten Form ausspricht und die 65 Seiten offenbar gründlich studiert hat. Sie fordert nun die Stadträte auf, dem Planungsreferat genau auf die Finger zu schauen und gibt ihnen exakte Hinweise, wo sie nachhaken müssen. So sollen etwa in die Vorlage des Eckdatenbeschlusses die Anträge aus der Perlacher Bürgerversammlung vom 28. Mai sowie die Beschlüsse des BA 16 aus der Sondersitzung vom 15. April nicht aufgenommen worden sein. Die Stadträte müssten diese sowie eine Stellungnahme der Verwaltung nachfordern. Außerdem sollen sie noch vor dem Beschluss im Plenum einen Ortstermin mit den Mitgliedern des Planungsausschusses abhalten. Vor allem aber wünschen sie sich von den Volksvertretern: "Nehmen Sie Einsicht in den Textteil des Bebauungsplans 57 ag und verlangen Sie eine Erklärung der Stadtplanung dazu."

Dazu muss man wissen, dass sich der genannte Bebauungsplan auf das Areal bezieht, das der Investor, die HIH Real Estate GmbH, bebauen will. Dabei wird immer vom "Siemens-Parkplatz" gesprochen. Doch richtig müsste es heißen, so die BI: "nördliches Straßenbegleitgrün des Otto-Hahn-Rings". Diese Fläche war ihr zufolge als Schutzzone zwischen dem Siemens-Entwicklungszentrum im Süden und dem reinen Wohngebiet im Norden gedacht. Die 1974 von der Stadt getroffene Festsetzung verbiete jedwede Bebauung des Areals nördlich des Otto-Hahn-Rings, östlich der Carl-Wery-Straße und verpflichte den Eigentümer zu Pflege und Erhalt der parkähnlichen Bepflanzung. Die Bürgerinitiative ist davon überzeugt, dass diese Vorgabe "legal nicht zu beseitigen ist".

Deshalb habe man in der Bürgerversammlung am 28. Mai die rechtliche Prüfung des Sachverhalts beantragt. Und so verberge sich, wie sie mitteilen, im Textteil des Bebauungsplans 57 ag "das von der Stadtplanung wohlbehütete Geheimnis des Siemens-Parkplatzes": das nördliche Straßenbegleitgrün des Otto-Hahn-Rings, das nach Meinung der BI nicht einmal als Bauerwartungsland einzustufen ist.

© SZ vom 23.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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