Neuperlach/Altstadt:Nehmt Platz!

Urban Slam Rathausgallerie

Die umgedrehte Kappe macht den Slammer: Cornelius Mager, Chef der Lokalbaukommission.

(Foto: Florian Peljak)

Die Teilnehmer des "Urban Slam" drücken ihre Sehnsucht nach Freiräumen ganz persönlich aus

Von Sarah Obertreis, Neuperlach/Altstadt

Die Siegerin des Abends, Marina Lessig vom Kreisjugendring München-Stadt, ist sich selbst nicht sicher, was für eine Veranstaltung sie gerade gewonnen hat: "Vergangene Woche hatte ich noch gerätselt, was ein Urban Slam überhaupt ist", bekennt sie. Doch eine Wesensdefinition scheint auf dem "Urban Slam" des Planungsreferates zu seiner aktuellen Ausstellung "Freiraum 2030" ohnehin nicht vonnöten zu sein. Die 26-jährige Gewinnerin sagt: "Ich habe einfach mal frei Schnauze geredet. Es ist schön, dass das an einem Abend, der unter dem Motto Freiraum steht, so gut geklappt hat."

Marina Lessig hatte der fiktiven 16-jährigen Marie eine Botschaft vorgetragen. Der Liebesbrief der Teenagerin an ihre Heimatstadt München enthält viele kritische Zeilen:"Du gibst mir alles, aber deshalb so wenig Freiraum, München. Gib mir Nichts-Tun-Raum! Mach doch mal nicht nur Parks, Dächer mit Urban Gardening und umzäunte Spielplätze, auf denen nur kleine Kinder schaukeln dürfen."

Der Intendant der Kammerspiele, Matthias Lilienthal, moniert nicht die derzeit angesagten Hochhausbeete. Er appelliert stattdessen an die Gärtner: "Nehmt euch den Freiraum! Die Stadt gibt ihn euch nicht. Hört nicht auf Cornelius Mager!" Lilienthal redet nur drei Minuten statt der erlaubten sechs und verschwindet direkt nach seinem Vortrag.

Der von ihm erwähnte Cornelius Mager, Leiter der Lokalbaukommission, versetzt sich vor seinem Auftritt in den Slam-Modus, indem er eine Baseballkappe mit dem Schirm nach hinten gedreht aufsetzt. Dann wettert er los gegen hemmungslose Werbung im öffentlichen Raum, gegen den Getränkeriesen Red Bull, der für seine X-Games zwar tolle Skateboard-Rampen im Olympiapark errichtet hätte, sie aber sofort wieder abgebaut habe, nachdem die werbewirksamen Fernsehbilder gedreht worden seien.

Behält Minh Tran von der Freizeitstätte "Come In" in Neuperlach Recht, bräuchte die Jugend im Jahr 2030 ohnehin keine Skateboard-Rampen mehr. Tran verpasst scheinbar seinen Einstieg und entschuldigt sich beim Publikum mit hochrotem Kopf: "Sorry, ich war gerade im Englischen Garten unterwegs, also virtuell mit meiner VR-Brille." Sein Haus verlässt der Junge aus der Zukunft nicht mehr oft. Warum auch? Draußen herrschen 35 Grad, für den Einzelnen bleibt nur ein Stückchen Wiese zum Sitzen. Tran sagt: "Es ist nicht so, als wären die Freiräume im Jahr 2030 verschwunden, der Englische Garten und der Olympiapark sind noch da, aber die Menschen sind mehr geworden. "

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: