Süddeutsche Zeitung

Neuhausen/Nymphenburg:Nachglühen

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Im März 2017 brennt der Kulturpavillon ab. Die Polizei ermittelt erfolglos wegen fahrlässiger Brandstiftung - und die Stadt bleibt vielleicht auf einem Schaden sitzen, der für sie gar keiner ist

Von Sonja Niesmann, Neuhausen/Nymphenburg

Am 13. März 2017 ist der Kulturpavillon Nymphenburg bis auf die Grundmauern abgebrannt. Bis heute schwelt zwischen dem Betreiber, dem Stadtteilkulturverein Neuhausen-Nymphenburg, und der Stadtverwaltung eine Auseinandersetzung darüber, wer für den Schaden aufkommt. 55 000 Euro hat die Kämmerei dem Verein in Rechnung gestellt. "Wovon sollen wir das bezahlen?", fragt dessen Vorsitzende Ingeborg Staudenmeyer, "wir haben doch nichts." Nun sieht es so aus, als lasse die Kämmerei ihre Forderung fallen. Doch die Rekonstruktion dieser anderthalb Jahre fördert einige verblüffende Wendungen zutage.

Bereits zwei Tage nach dem Großfeuer teilte die Polizei mit, als Ursache hätten die Brandermittler einen glühenden Nachtspeicherofen ausgemacht, davor abgestellte Kartons und andere Gegenstände hätten sich entzündet und auf Mobiliar und schließlich das ganze Gebäude übergegriffen. "Schmarrn", sagt Ingeborg Staudenmeyer, "der Ofen war aus, da war doch das Lager für die Stühle, da heizen wir doch nicht." Die Befragungen von Vereinsmitgliedern durch die Polizei erbrachten jedenfalls keine Klärung, wer wofür in die Verantwortung genommen werden könnte. Die Kripo schloss ihre Ermittlungen schließlich mit einer Anzeige gegen unbekannt wegen fahrlässiger Brandstiftung ab. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren im Februar 2018 ein, "da ein Täter nicht ermittelt werden konnte", teilt deren Pressesprecherin Anne Leiding mit.

Im März 2018 aber erhielt der Verein die Rechnung über 55 000 Euro. Staudenmeyer reagierte empört - "da muss sich ja jeder, der ein Ehrenamt übernimmt, warm anziehen" - und schaltete einen Rechtsanwalt ein. Auch das Kulturreferat versuchte zu vermitteln. "Wir haben von Anfang an klargemacht, dass wir das unglücklich finden", sagt dessen Sprecherin Jenny Becker. Man wolle den Verein, der den neuen städtischen Neuhauser Kultursaal "Trafo" (derzeit im Endstadium der Errichtung) betreiben soll, doch nicht in "Riesenschulden" treiben. Andererseits könne man auch nicht einfach ignorieren, dass Schaden an städtischem Eigentum entstanden sei, das setze eben "gewisse Automatismen" in Gang.

Im Nutzungsvertrag mit dem Verein sei festgelegt, dass er das ihm überlassene Gebäude selbst brandschutzversichern müsse, betont eine Sprecherin der Kämmerei, aber die Versicherung lehne wohl die Regulierung des Schadens ab. Das trifft den Sachverhalt nicht ganz. Dem Kulturverein und seinem Vorstand ist dieser Passus im Vertrag offenbar durchgeschlüpft. Er hatte, ergibt die Nachfrage bei seiner Vorsitzenden, gar keine Versicherung für den Brandfall, nur eine Haftpflicht. "Ich hab mich doch erkundigt, welche Versicherungen wir brauchen", erklärt Ingeborg Staudenmeyer, "und man hat mir versichert, alle städtischen Gebäude seien brandschutzversichert." Nein, korrigiert wiederum Jenny Becker, "wenn wir jemandem ein Gebäude überlassen, muss der sich selbst versichern, das stand schon so im Vertrag." Da habe sich Ingeborg Staudenmeyer vielleicht "etwas hemdsärmelig" auf - falsche - mündliche Auskunft verlassen. Die wesentliche Frage, an die man mit gesundem Menschenverstand herangehen müsse, ist aus Sicht des Kulturreferats aber doch: Wie gravierend ist denn der Schaden?

Der Pavillon wurde einst als Pressebüro für die Olympischen Spiele 1972 gebaut und dann an die Arnulfstraße 294 versetzt, wo er lange die Nymphenburger Stadtbücherei beherbergte und von 2010 an vom Kulturverein mit Ausstellungen, Konzerten, Lesungen oder Vorträgen bespielt wurde. Nach dem Umzug des Kulturvereins in sein neues Domizil an der Nymphenburger Straße 171 sollte das stark in die Jahre gekommene Gebäude abgerissen werden, auf dem Areal nahe dem Romanplatz ist der Bau eines Alten- und Service-Zentrums für Nymphenburg geplant. Das für städtische Immobilien zuständige Kommunalreferat räumt ein: "Die endgültigen Abbruchkosten wären ohne Brandfall eventuell über den von uns gemeldeten, tatsächlichen Kosten gelegen, sodass der Landeshauptstadt aus dem Brand kein unmittelbarer (Finanz-)Schaden entstanden ist." Anders ausgedrückt: Der "warme" Abbruch könnte der Stadt sogar Geld gespart haben.

In den vergangenen Tagen scheint die Auseinandersetzung um die 55 000 Euro, durch Mahnbescheid mittlerweile sogar auf 59 000 Euro angewachsen, auf eine höhere Ebene in der Verwaltung gehievt worden zu sein. Am Mittwoch ließ eine Vertreterin der Kämmerei auf Anfrage wissen, man prüfe gerade nochmals, ob man von der Forderung absehen kann - "und es sieht gut aus". Bis der Kulturverein das schriftlich hat, wird es aber etwas dauern: "Das muss natürlich rechtlich in trockene Tücher kommen."

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SZ vom 16.11.2019
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