Neuhausen/Nymphenburg:Improvisation ist gefragt

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Ein glühender Nachtspeicherofen und davor abgestellte Kartons lassen den Kulturpavillon am Romanplatz in Flammen aufgehen. Jetzt hoffen alle auf die baldige Eröffnung des Zentrums "Trafo 2"

Von Sonja Niesmann, Neuhausen/Nymphenburg

Das gesamte technische Equipment wie Mischpult, Scheinwerfer, Verstärker, ist zerstört, die PCs verschmort, das Gebäude selbst eine kläglich anzusehende Ruine. Aber etwas Wichtiges konnte der Stadtteilkulturverein Neuhausen-Nymphenburg retten. Als die Vereinsvorsitzende Ingeborg Staudenmeyer am späten Montagnachmittag schockiert durchs zerborstene Fenster in das Chaos schaut, das einmal ihr Büro war, kann sie es kaum glauben: Ein Dutzend Aktenordner hat die Flammen überlebt. Ein freundlicher Feuerwehrmann reichte sie ihr durchs Fenster hinaus - außen völlig verrußt, aber alle Papiere lesbar. Die Verträge, das Mitgliederverzeichnis, die Buchhaltung, seine Satzung hat der Kulturverein also noch - aber keine Stätte für Kultur mehr.

Bis auf die Grundmauern ist der Kulturpavillon an der Arnulfstraße 294 bei einem Großfeuer niedergebrannt. Ein vorbeikommender Autofahrer hatte das Feuer am Montagmorgen gemeldet. Der Schaden beläuft sich nach Angaben der Polizei auf mehrere Hunderttausend Euro, 60 Feuerwehrkräfte waren stundenlang mit den Löscharbeiten beschäftigt. Am Dienstag um 9 Uhr morgens machten sich zwei Brandfahnder, in ihren weißen Ganzkörperanzügen und ihren Atemschutzgeräten an Astronauten erinnernd, auf zur zweiten Runde Stochern in Schutt und Asche, halb verkohlten Holzbalken, Dämmplatten und Glasscherben. Nun steht die Brandursache fest: ein Nachtspeicherofen, der über Nachtstrom aufgeheizt wurde und auf höchster Stufe stand. Unmittelbar vor dem Ofen, teilte die Polizei mit, waren Kartons und andere Gegenstände abgestellt, die sich entzündeten. Die Flammen griffen auf einen Schrank und Tische und schließlich auf das ganze Gebäude über.

"Das ist ein gewaltiger Rückschlag für die Kulturarbeit im Stadtviertel", seufzt Franz Schröther, Vorsitzender der Neuhauser Geschichtswerkstatt und seit Kurzem Mitglied im Vorstand des Kulturvereins, am Tag danach noch hörbar erschüttert. Die Geschichtswerkstatt wollte am Montagabend ihre Jahreshauptversammlung im Kulturpavillon abhalten. Fünf Bierkästen für die rund 60 erwarteten Mitglieder waren schon dort kaltgestellt. "Das ist aber unser einziger Verlust, wir hatten zum Glück keinen Beamer, keinerlei Unterlagen dort", berichtet Schröther. "Wir sind also glimpflich davongekommen." Für die ausgefallene Versammlung sowie für die fünf in diesem Jahr noch geplanten Vorträge über Stadtteilgeschichte werden sich Ersatzräume finden lassen; sowohl der TSV Neuhausen-Nymphenburg als auch ein Kleingartenverein in der Nähe des Kulturpavillons haben der Geschichtswerkstatt spontan einen Raum angeboten.

Vorträge, Lesungen - alles kein Problem, sagt auch Ingeborg Staudenmeyer, "damit können wir auch mal in eine Schule gehen". Das Immobilienmanagement des Bildungsreferates hat ihr dafür bereits Unterstützung zugesichert. Wohin aber sollen sich nun Künstler wenden, die ihre Werke präsentieren wollen, die für dieses Jahr bereits ihre Ausstellung vereinbart haben? Mit Ausnahme der großen Stadtbibliothek an der Nymphenburger Straße gibt es im Viertel keinen Raum, in dem bis zu 50 großformatige Bilder so gut Platz finden wie im Kulturpavillon, zu überdies recht günstigen Konditionen. Für den Bandcontest immerhin, bei dem am 1. April vier Nachwuchsbands um den Sieg und einen Auftritt bei der Neuhauser Musiknacht antreten sollten, hat Staudenmeyer schon eine Lösung parat. Bei einem "Tag für Neuhausen", den der Kulturverein am 25. Juni auf dem Tollwood-Festival veranstaltet, wird der Wettbewerb das Abendprogramm im Zelt sein, kündigt sie an. "Und dann müssen wir halt schauen, wie's weitergeht, wie wir ein Jahr überbrücken."

In gut einem Jahr, voraussichtlich im Mai 2018, soll das neue Kulturzentrum "Trafo 2" an der Nymphenburger Straße 171, das der Stadtteilkulturverein bespielen wird, in Betrieb gehen. Der Flachbau am Romanplatz war nur Übergangsquartier für die Kultur in Neuhausen und Nymphenburg, eine Zwischenlösung, die bereits länger andauerte als ursprünglich angenommen. Klagen von Nachbarn haben den Bau des "Trafo 2" um drei, vier Jahre verzögert.

Im September 2010 wurde der Kulturpavillon eröffnet, zehn Monate nach dem Auszug der Stadtbüchereifiliale Nymphenburg. Auf den 600 Quadratmetern, die Platz für eine kleine Bühne und 100 Stühle boten, hatte sich ein buntes Programm etabliert, mit Ausstellungen von Gemälden über politische Karikaturen bis hin zu den Patchworkdecken einer Quilt-Gruppe, mit Konzerten, Lesungen, Kindertheater.

Vielleicht, sagt Staudenmeyer hoffnungsvoll, bewirkt das Unglück ja wenigstens, "dass bei der Fertigstellung vom Trafo 2 noch mal kräftig angeschoben wird".

© SZ vom 15.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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