Neuhausen/Nymphenburg:Die Büchermeister

In der in der Stadtbibliothek Neuhausen trifft sich ein besonderer Club. Kinder und Jugendliche geben Lese-Empfehlungen oder warnen vor "Lass-die-Finger-davon"-Exemplaren

Von Jennifer Sandmeyer, Neuhausen-Nymphenburg

Umgeben von Büchern über Einbruchschutz, Immobilienkauf oder Ägyptische Kunst trifft sich in der Neuhauser Stadtbibliothek - bei leisem Hintergrundgemurmel - schon zum zweiten Mal ein ganz besonderer Club. "Ich bin ein Buchfresser", sagt Oskar, ein schmaler Bub mit braunem Schopf. Auf seinem rotem Pulli steht "Life is better with Wifi". Sein Kumpel Konrad stimmt ihm anerkennend zu: "Der hat Harry Potter in vier Tagen gelesen." Oskar senkt kichernd den Kopf. Konrad, ein Junge mit blondem Wuschelkopf, nimmt sich einen Schokokeks aus einem kleinen Brotkorb und stellt klar: "Ich hab' auch schon viele Bücher gelesen." Fantasy zum Beispiel. "Man entdeckt neue Welten. Auch Zauberer und so. Das find' ich cool", ergänzt Oskar. "Das ist halt geiler als in einer normalen Welt", sagt Konrad und grinst.

Die beiden Zwölfjährigen kennen sich schon seit der Grundschule und sind beim zweiten Treffen der "Neuhauser Büchermeister" dabei. Susanne Meier und Anja Sauter betreuen den Buchclub. "Es geht darum, die Freude am Lesen zu teilen, um den Austausch." Die beiden Jungen sind die einzigen Teilnehmer. "Es ist schwierig, Kinder zu erreichen, die nicht lesen", bedauert Meier. Jene, die zu den Büchermeistern kommen, hätten alle sowieso eine hohe Affinität zu Büchern, erzählt sie weiter. Doch die Ideen reifen langsam heran: In Zukunft könnten soziale Medien wie Instagram oder ein Podcast die Lösung sein, um mehr Kinder und Jugendlich auf die Büchermeister aufmerksam zu machen, verraten Meier und Sauter - und betonen lachend "in Zukunft".

Im Hier und Jetzt stellen die Geschichtenliebhaber ihren aktuellen Buchfavoriten vor. Erzählen dann, was sie so gefesselt hat. Im besten Fall stecken sie die anderen mit ihrem Buchfieber an. Ein Wettlauf gegen die Zeit, bleiben ihnen doch insgesamt nur drei Minuten. Die Jungs drehen abwechselnd die Sanduhr um. "3,2,1", zählen sie den Countdown herunter. Der blaue Sand beginnt zu rieseln. Oskar reicht die Zeit nicht. Sein Buch "Bartimäus" hat etwa 500 Seiten. Er blättert im Buch und führt die anderen in die magische Welt des Buches ein. Immer wieder hält er inne. Überlegt. Gestikuliert. Meier und Sauter nicken aufmunternd. Konrad lauscht und spielt mit der Sanduhr. "Es hat spannend geendet, mehr will ich nicht verraten", beendet Oskar seine Vorstellung. Konrad ist recht schnell fertig. "Ist ja auch ein dünnes Buch", sagt er achselzuckend.

Die Büchermeister haben sich für das zweite Treffen verschiedene Genres ausgesucht: Fantasy, historische Romane und griechische Mythologie. Meier stellt das Buch "Der 1000-jährige Junge" vor. Die Geschichte handelt von einem Elfjährigen, der nicht altert. Die Bibliothekarin kippt aus einem Stoffsäckchen kleine goldene Kugeln, "Lebensperlen" - passend zum Buchinhalt. Oskar hat den Kopf in seine Hand gestützt und lauscht ihren Worten. Konrad rekelt sich im Stuhl, die Hand liegt auf seinem Buch. Dass der Sand aufgehört hat zu rieseln, bemerkt zunächst keiner. "Geht der Junge dann eigentlich immer wieder in die sechste Klasse?", fragt Oskar, als Meier zu Ende erzählt hat. Die beiden haken an verschiedenen Stellen immer wieder ein, stellen Fragen. Konrad begeistert vor allem Sauters Buchtipp über eine Schule, die Verbrecher ausbildet. "Ich will diese Gangsterschule lesen", ruft er. Draußen ist es mittlerweile dunkel geworden. Die Jungs basteln noch ein Lesezeichen aus Wolle, Bändern, Perlen und einem selbst geschossenen Foto. Ihre Buchtipps schreiben sie auf einen gelben Zettel, die lesen dann die Bücherei-Besucher. "Wie fandet ihr's denn heute?", fragt Susanne Meier zum Abschluss. "Ja, ganz nice", antwortet Konrad lässig. Die beiden Frauen lachen. "Danke für alles", sagt Oskar. "Tschüss!"

Das nächste Treffen der Büchermeister findet am 30. Januar, 16 Uhr, in der Neuhauser Bibliothek, Nymphenburger Straße 171 b, statt. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

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