Neuhausen/Nymphenburg:"Der Förderung unwürdig"

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Appell: eine Aktion von Wolfram Kastner zur Flüchtlingsdiskussion. (Foto: Robert Haas)

Die CSU im Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg stimmt gegen Zuschuss für ein Gedenkprojekt am Platz der Freiheit

Von Sonja Niesmann, Neuhausen/Nymphenburg

"Wenn ein Künstler ein anderes Denkmal beschädigt, hat er es nicht verdient, mit öffentlichem Geld gefördert zu werden." So kurz und bündig begründete Fraktionssprecherin Kristina Frank, warum die CSU im Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg sich gegen einem Zuschuss für ein Gedenkprojekt am Platz der Freiheit sperrt. Der Münchner Künstler Wolfram Kastner will dort, wo bereits ein eher unauffälliger Granitstein für die Opfer des Nationalsozialismus steht, auf Stelen mit Fotos und kurzer Vita an Menschen erinnern, die den Nazis trotzten und teils dafür ihr Leben lassen mussten. Gegen die Stimmen der CSU bewilligte der BA mehrheitlich am Dienstagabend letztlich 2000 statt der beantragten 6000 Euro; 10 000 Euro sind beim Kulturreferat beantragt . SPD-Fraktionssprecher Otmar Petz nannte die Feilscherei um die Zuschusshöhe "ein Trauerspiel - und das in diesen Zeiten!".

Als Kastner vor anderthalb Jahren sein Erinnerungsprojekt für Widerstandskämpfer erstmals im Bezirksausschuss vorstellte, fand es allgemeines Gefallen in der Runde. Die Entscheidung zog sich jedoch hin, da das Baureferat Pläne zur Umgestaltung des nicht sonderlich ansprechenden Platzes der Freiheit vorlegte - die Installation wäre den Arbeiten im Wege gestanden. Zu Jahresbeginn dann verdarb es sich Kastner, bekannt für seine provokanten, hartnäckigen Denkanstöße zum Umgang mit Geschichte und Gedenken, gründlich mit der CSU. Er entfernte an einem Denkmal, das an die bayerische Eisenbahntruppe im Ersten Weltkrieg erinnert, fünf Buchstaben. Aus "Sie starben für Deutschlands Ruhm und Ehre" wurde so " . . für Deutschlands Unehre". Im Unterausschuss Kultur musste Kastner deshalb noch einmal antreten, zur Gewissensprüfung sozusagen. Er betonte unter anderem, es handele sich nicht um "sein" Projekt, sondern um das einer ganzen Gruppe; unterstützt werde das Vorhaben auch von Winfried Nerdinger, dem Leiter des NS-Dokumentationszentrums und Charlotte Knobloch, der Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde in München.

Gefruchtet hat das Gespräch nichts, die CSU hält Kastner für einen Wiederholungstäter. Denn unlängst hat er gemeinsam mit zwei anderen Künstlern am leer stehenden Institutsgebäude neben Schloss Nymphenburg Karikaturen von Köpfen auf die Fensterscheiben geklebt und "herein" auf die Glastür gesprayt. Mit der Aktion wollte das Trio darauf aufmerksam machen, dass das Gebäude als Flüchtlingsunterkunft genützt werden könnte. Für Kristina Frank ist das Sachbeschädigung, Wolfram Kastner hingegen betont, dass weder diese Aktion noch die am Eisenbahnerdenkmal strafrechtliche Folgen für ihn hatte: "Kein Staatsanwalt hat ein Verfahren gegen mich eingeleitet, kein Gericht hat mich verurteilt."

Die Abstimmungsergebnis kommentiert er mit dem Satz: "Wer nicht offen denken will und sich zum Hüter einer überkommenen Ordnung aufspielt, schlägt mit Keulen um sich, auf die sowohl das Kultusministerium als auch das Bundesministerium der Verteidigung aus guten Gründen verzichten."

© SZ vom 22.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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