Süddeutsche Zeitung

Neuhausen:Koexistenz auf Probe

Während einer einjährigen Testphase sollen Radler und Busse vor dem Rotkreuzplatz eine Kombispur nutzen. Dafür entfallen mehr als 30 Parkplätze. Die CSU im Viertel kritisiert den Vorstoß als "gewagtes Experiment"

Von Sonja Niesmann, Neuhausen

Radfahrer und der Linienbus werden von Herbst an auf der Südseite der Wendl-Dietrich-Straße zwischen Renata- und Pötschnerstraße eine eigene, gemeinsame Spur auf der Fahrbahn bekommen. Dafür entfallen alle Parkplätze auf diesem Abschnitt, mal wird deren Zahl mit 30, mal mit fast 40 angegeben. Die Maßnahme ist eine von vorerst 14, mit denen die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) ihre Busse aus dem Stau befreien und beschleunigen will. Der Stadtrat hat dieses Paket im Oktober 2019 beschlossen.

Die abmarkierte Rad-/Busspur wird laut Kreisverwaltungsreferat zirka 3,30 Meter breit sein, für die beiden anderen Fahrspuren bleiben jeweils zirka 3,25 Meter. Weil der Verkehrsversuch zunächst nur probeweise für ein Jahr laufen soll, wird der bestehende, schmale Radweg nicht zurückgebaut, Fußgänger dürfen ihn aber mitbenutzen. Die MVG will die Testphase aufmerksam beobachten, um dann zu entscheiden, was diese Kombi-Spur bringt.

Im Neuhauser Bezirksausschuss (BA) hat das Vorhaben anfangs quer durch die Parteien große Irritation ausgelöst. "Wir sind dazu vor dem Stadtratsbeschluss überhaupt nicht angehört worden, das darf nicht passieren", schimpfte CSU-Fraktionssprecherin Gudrun Piesczek in der jüngsten Sitzung noch einmal. Zudem hatte sich das Gremium über Monate hin vergeblich um exakte Pläne bemüht. Bei der ersten Diskussion im vergangenen November wurden Zweifel laut, ob der 62er-Bus auf seiner 50-minütigen Fahrt vom Ostbahnhof durch die ganze Stadt, über Viktualienmarkt, Marienplatz, Sendlinger Tor, durch die Schwanthalerhöhe und Laim zum Rotkreuzplatz, mit insgesamt 38 Haltestellen, auf diesen letzten paar hundert Metern wirklich noch Verspätungen gutmachen könne. Um die Verbesserung der Pünktlichkeit gehe es den MVG-Vertretern gar nicht vorrangig, so hat es Nikolai Lipkowitsch (Grüne), der Sprecher des Unterausschusses Verkehr, verstanden; es gehe mehr um das Gefühl der Fahrgäste, im Stau im Bus "gefangen" zu sein, wenn das U-Bahn-Schild am Rotkreuzplatz schon in Sichtweite ist. "Das hat mich überzeugt", erklärte Lipkowitsch.

Die CSU überzeugte es nicht, sie hält das für ein "gewagtes Experiment". Die beiden anderen Fahrspuren seien zu schmal, bemängelte Piesczek, "und was passiert, wenn ein langsamer Radler den Bus ausbremst?" Dann weiche der Radler halt an den Rand aus, oder der Bus überhole ihn, entgegnete Anna Lena Mühlhäuser (SPD). Den Antrag der CSU, diese "Fehlplanung" zu stoppen, lehnte das Gremium mit großer Mehrheit ab. "Es macht Sinn, mal etwas auszuprobieren", fand BA-Vorsitzende Anna Hanusch (Grüne) und setzte mit Blick auf den Stadtrat, dem sie angehört, hinzu: "Wir haben gerade für Freischankflächen etwa 800 Parkplätze in der Stadt entfernt, und siehe da, die Menschen regen sich nicht auf."

"Kommt schon noch", gab Piesczek zurück und forderte, in diesem Fall - vor vollendete Tatsachen gestellt - wenigstens Schadensbegrenzung zu betreiben. Bei den wegfallenden Parkplätzen handelt es sich samt und sonders um Kurzzeit-Parkplätze für die Kunden der Geschäfte an der Wendl-Dietrich-Straße, die umliegenden Nebenstraßen sind seit Einführung des Parklizenzgebietes Rotkreuzplatz-Süd Ende 2019 für Anwohnerparken reserviert. Man müsse also unbedingt und sobald wie möglich, so Piesczek, einige der Anwohnerparkplätze in der Pötschner- und der Gudrunstraße in Kurzzeit-Parkplätze umwandeln und dort auch Ticket-Automaten aufstellen. In die Zukunft schauend äußerte Piesczek gar die Sorge, "dass auch die Parkplätze auf der gegenüberliegenden Seite der Wendl-Dietrich-Straße wegkommen".

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SZ vom 31.07.2020
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