Süddeutsche Zeitung

Neuhausen:Hoch gepokert

Kulturhalle, Büros, 1400 Wohnungen, Justizzentrum: In Zukunft werden täglich Tausende rund um den Leonrodplatz unterwegs sein. Die MVG will den Fahrgastanstieg allein mit 48 Meter langen Tramzügen abfedern

Von Sonja Niesmann, Neuhausen

Viel zu sehen ist noch nicht, außer einem imposanten Bauzaun rund um ein nachts aus Sicherheitsgründen hell erleuchtetes Gelände. Aber die kommenden Jahre werden dem Leonrodplatz, alles zusammengerechnet, mehr als 2000 neue Arbeitsplätze, etwa 1400 Wohnungen und eine große Kulturhalle für 600 bis 700 Besucher bringen. Eine U- oder S-Bahnstation gibt es dort allerdings nicht. Dennoch sind das städtische Planungsreferat und die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) zuversichtlich, dass man den Verkehrszuwachs durch die drei Großprojekte rund um den Platz - das neue Strafjustizzentrum, das Kreativquartier und ein weiteres, "Mediendorf" genanntes Wohnbauvorhaben - gut in den Griff bekommt.

Beim öffentlichen Nahverkehr "sollte es nicht zu Engpässen kommen", versicherte Ulf Ball von der MVG etwa 150 Neuhausern bei einer Einwohnerversammlung zur künftigen Verkehrsplanung am Leonrodplatz. Zwei Straßenbahnrouten und eine Buslinie bedienen den im nordöstlichen Eck des Viertels liegenden Platz, der vor allem eine große Kreuzung ist: auf der Achse zwischen Neuhausen und Schwabing die Tram 12 und der Bus 53, auf der Achse Innenstadt-Moosach schließlich die Trambahnen 20, 21 und 22. Das Ansteigen der Fahrgastzahlen durch die Studierenden der Hochschule an der Lothstraße, unweit des Leonrodplatzes, habe man bereits durch die Verstärker-Tram 22 aufgefangen, die dort eine Wendeschleife hat, so Ulf Ball. Das Plus von 15 bis 20 Prozent mehr an Fahrgästen, das durch Kreativquartier und Justizzentrum für die Linien 20 und 21 zu erwarten sei, will die MVG nicht mit einer weiteren Taktverdichtung bewältigen, sondern mit fünfteiligen, 48 Meter langen Trambahnzügen - "die sind bereits bestellt". Zwischen Hochschule und Leonrodplatz soll an der Funkerstraße eine weitere Straßenbahnhaltestelle eingerichtet werden. Und die jüngste Idee der MVG: Die Buslinie 153, die bisher an der Hochschule endet, soll verlängert werden - über die Maillingerstraße, dort mit Umsteigemöglichkeit in die U 1 , zur S-Bahnstation Donnersbergerbrücke und zu bestimmten Zeiten sogar bis zum Harras; dort gibt es dann Anschluss an die U 6.

Was den Autoverkehr betrifft, prognostiziert Christine Weis-Hiller vom Planungsreferat durch Kreativquartier und Justizzentrum etwa 4900 zusätzliche Fahrten pro Tag auf Dachauer- und Schwere-Reiter-Straße; dort waren Mitte der Neunzigerjahre deutlich mehr Fahrzeuge als heute unterwegs. Das Radwegenetz rund um den Leonrodplatz bezeichnete Christine Weis-Hiller als "dicht, wenn auch teils nicht optimal", die Radwege an der Dachauer Straße etwa seien zu schmal. Für Fußgänger und auch für die Besucher von Tonnenhalle und Reithalle sollen neue Querungsmöglichkeiten an der Funkerstraße sowie an Schwere-Reiter-/Heßstraße angelegt werden.

Damit Angestellte und Besucher des Justizzentrums Anwohnern nicht die Parkplätze streitig machen, empfiehlt das Planungsreferat, das Parklizenzgebiet Ebenau um das Wohnquartier rund um den Rosa-Luxemburg-Platz zu erweitern. Die Voraussetzungen dafür sind laut Weis-Hiller gegeben, beschließen muss es jedoch der Stadtrat, "voraussichtlich noch im ersten Halbjahr 2017 vor der Sommerpause". Den Ruf nach einem Parkwapperl bekräftigte auch die Einwohnerversammlung.

Ein weiterer, mit großer Mehrheit verabschiedeter Antrag fordert, Schleichverkehr im Wohngebiet zu verhindern. Die Zufahrt zur Tiefgarage des Justizzentrums mit 409 Stellplätzen liegt an der Anita-Augspurg-Allee. Die Anwohner sähen sie lieber an einer der Hauptstraßen, was aber laut Kurt Bachmann vom Staatlichen Bauamt München I nicht möglich ist. Vor allem aber fürchten sie, dass der Verkehr zur Tiefgarageneinfahrt auch durch Parallelstraßen wie die Hedwig-Dransfeld-Allee rollen könnte. Außerdem beantragen die Anwohner durch ein Stoppschild oder eine Blinkampel mehr Sicherheit für Fußgänger, die oft gefährdet werden durch von der Schwere-Reiter-Straße in die Dachauer Straße stadtauswärts abbiegende Autos. Der Antrag auf eine Fußgängerbrücke über den Leonrodplatz, weil "man sich an den Ampeln oft die Beine in den Bauch steht", fand dagegen keine Mehrheit.

Die Baugrube fürs Strafjustizzentrum mit zukünftig 1300 Beschäftigten wird in diesem Frühjahr ausgehoben, im Herbst 2022 soll der Komplex fertig sein. Die Hauptzufahrt zur Baustelle erfolgt über die Schwere-Reiter-Straße, eine Nebenzufahrt liegt an der Emma-Ihrer-Straße, dort werden auch die Baucontainer aufgestellt. Beim Kreativquartier gegenüber wird es auf dem "Feld" genannten Abschnitt zur Heßstraße hin zuerst losgehen, der Bebauungsplan für Wohnungen, Räume für die Kreativwirtschaft und eine fünfzügige Grundschule werde noch heuer fertig, kündigte Ulrich Schaaf vom Planungsreferat an. Weitere Abschnitte heißen "Park" - das grüne Herzstück des 20 Hektar großen Areals, auf dem auch die beiden denkmalgeschützten Hallen, die Jutier- und die Tonnenhalle, stehen - und "Plattform": Dort werden ein Hochschulcampus für Architektur- und Design-Studenten sowie weitere Wohnungen entstehen. Am langsamsten entwickeln soll sich der Kreativquartier-Bereich "Labor",in dem heute schon eine bunte Szene aus Kulturschaffenden ansässig ist, die möglichst auch bleiben soll.

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SZ vom 27.01.2017
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