Neuhausen:Gesichter des Widerstandes

Auf dem Neuhauser Platz der Freiheit erinnern zwölf schlanke Stelen des Künstlers Wolfram Kastner an Opfer des Nationalsozialismus. Für Kulturreferent Küppers ist die Eröffnung ein "bewegender Moment für uns alle"

Von Thomas Kronewiter, Neuhausen

Gäbe es nicht das stete Rauschen der Landshuter Allee, das Quietschen der um die Ecke biegenden Tram, das Surren der Straßenreinigungsfahrzeuge, könnte man garantiert nicht daran zweifeln: Das Widerstandsdenkmal auf dem Platz der Freiheit in Neuhausen hat seinen endgültigen Platz gefunden. Dort, auf dem früheren Hindenburgplatz, erinnert fortan nicht nur ein verwitterter grauer Monolith an die "Opfer im Widerstand gegen den Nationalsozialismus". Dort stehen nunmehr auch zwölf schlanke Stelen, die diesem Widerstand ein Gesicht geben.

Dreizehn Biografien sind auf den weißen Kunststoff-Stelen nachzulesen, dreizehn Menschen stehen für den Mut, sich gegen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und ein unmenschliches Regime engagiert zu haben. 13 Mal wird deutlich, dass Widerstand weder eine Frage der Bildung, Religion, noch der Herkunft ist. Viele der dreizehn Widerstandskämpfer - darunter das Ehepaar Sylvia und Max Klar - haben diesen Mut allerdings auch mit ihrem Leben bezahlt.

Neuhausen: Einer der vielen: Der Münchner Ludwig Koch verteilte während der Nazi-Zeit Flugblätter und wurde 1939 zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt.

Einer der vielen: Der Münchner Ludwig Koch verteilte während der Nazi-Zeit Flugblätter und wurde 1939 zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt.

(Foto: Stephan Rumpf)

Da ist Emma Hutzelmann, die Flugblätter gegen Hitler verfasste, russischen Kriegsgefangenen die Flucht ermöglichte, im Untergrund leben musste und bei einem Fliegerangriff 1944 tödlich verletzt wurde. Da ist Josefa Mack, die als angehende Ordensschwester illegal Lebensmittel ins KZ Dachau brachte und später bis zu ihrem Tod 2006 im Angerkloster lebte. Da ist Michail Kondenko, der als Major der Roten Armee im Perlacher Offizierslager einen Aufstand vorbereitete und 1944 im KZ Dachau ermordet wurde. Und da ist Otto Kohlhofer, der einen Lehrlingsstreik in der Firma Rodenstock organisierte, sofort entlassen wurde, in den Kommunistischen Widerstand ging und nach zehn Jahren Haft in Zuchthaus und Konzentrationslager flüchten konnte. Nach der traumatischen Erfahrung des NS-Regimes machte er sich für die KZ-Gedenkstätte in Dachau stark. Kohlhofers Tochter Christa Willmitzer war zur Eröffnung der Gedenkstätte am Dienstag auf den Platz der Freiheit ebenso gekommen wie Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, Politiker aus Landtag, Stadtrat und Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg, Aktivisten und Bürger - alles in allem rund 100 Menschen.

Der Landtagsabgeordnete Karl Freller (CSU), Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, verwies darauf, dass die Gedenkstätte besonders auch gemeinhin unbekannten Widerstandskämpfern ein Gesicht gebe. Nicht von ungefähr sind die Biografien lediglich angeschraubt, können also in Abständen auch ausgetauscht werden. Für Freller ebenso wie für den Initiator, den Künstler Wolfram Kastner, wäre es der sehnlichste Wunsch, dass das zunächst nur bis Oktober 2017 genehmigte Stelen-Rund dauerhaft stehen bleibt. Schon um die zeitlich befristete Aufstellung, sagte Kastner, habe man gerungen. Die vom Stadtrat eingesetzte Arbeitsgemeinschaft Gedenktafeln etwa sei mit Hinweis auf den vorhandenen Gedenkstein zunächst dagegen gewesen. Münchens Kulturreferent Hans-Georg Küppers indes sah für die Installation auch über den Oktober 2017 hinaus eine Berechtigung. Küppers sprach von einem "bewegenden Moment für uns alle" - Demokratie müsse jeden Tag erkämpft werden.

Neuhausen: Zufrieden und am Ziel: der Initiator des Mahnmals, der Künstler Wolfram Kastner.

Zufrieden und am Ziel: der Initiator des Mahnmals, der Künstler Wolfram Kastner.

(Foto: Stephan Rumpf)

Für den Historiker Jürgen Zarusky vom Institut für Zeitgeschichte stellen die Stelen eine moderne Form der Erinnerung dar. Sie kämen ohne Denkmalsockel und Monumentalplastik aus - und sie seien auf dem ehemaligen Hindenburgplatz auch richtig platziert.

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