Süddeutsche Zeitung

Neuhausen:Einschränkungen erwünscht

Fast 90 Prozent der Anwohner und 80 Prozent der Ladenbesitzer sind mit dem Gedränge in der engen Volkartstraße unzufrieden. Die Befragung ist Startpunkt eines Beteiligungsprojekts zur Verbesserung der Verkehrssituation

Von Sonja Niesmann, Neuhausen

So manche Straße besitzt ansprechende Architektur, eine bunte Mischung an Läden und Lokalen, die zum Bummeln einladen, ein eigenes Gesicht. Und dennoch ist das Wohlgefühl von Passanten und Anwohnern nicht immer ungetrübt: zu viele Autos, Kampf um Parkplätze, zu viel Lärm und nerviges Gehupe bei Blockaden durch Gegen- oder Anlieferungsverkehr; alle Verkehrsteilnehmer müssen sich gegeneinander behaupten. Die Maxvorstädter Stadtviertelpolitiker zum Beispiel fordern seit Jahren die Stadt auf, die Augustenstraße umzugestalten, Ordnung ins Gedränge zu bringen; doch es geht nichts voran. Bei der Volkartstraße in Neuhausen - kleiner, aber von vergleichbarem Charme - geht der Bezirksausschuss (BA) einen anderen Weg, der sich vielversprechend anlässt: Durch intensive Befragung von und ständige Rückkoppelung mit den Anwohnern und Gewerbetreibenden will das Gremium herausfinden, welche Verbesserungen auf dem Teilstück zwischen Nymphenburger Straße und Frundsbergstraße eigentlich gewünscht sind.

In seltener Einmütigkeit hat der Bezirksausschuss im Oktober auf Initiative der Grünen einen Vier-Stufen-Plan auf den Weg gebracht, einmütig wohl deshalb, weil man sich auf absolute Offenheit für die Ergebnisse, auf keinerlei Zielvorgaben verständigte. Stufe 1 - die Befragung bei den 240 Haushalten und 27 Gewerbetreibenden in diesem Abschnitt der Volkartstraße - ist nun abgeschlossen und von der Projektgruppe unter der Leitung von Martin Züchner und Niko Lipkowitsch (beide Grüne) ausgewertet. 190 Haushalte haben den Online-Fragebogen angeklickt, 124 ihn dann vollständig ausgefüllt. Bei den Gewerbetreibenden haben - im direkten Gespräch - 20 mitgemacht. 89 Prozent der Anwohner, 79 Prozent der Gewerbetreibenden geben an, mit der Verkehrssituation in der engen Straße unzufrieden oder sehr unzufrieden zu sein. Auf 94 Haushalte übrigens kommen insgesamt 124 Kfz, die überwiegend in der Volkartstraße - sie gehört zu einem Lizenzgebiet - geparkt werden. 14 Gewerbetreibende bringen es zusammen auf 37 Fahrzeuge.

Bei der Frage nach Wünschen zur Umgestaltung rangiert an oberster Stelle eine Einbahnstraße. Beim Abklopfen weitergehender Modelle gaben 30 Prozent der Haushalte sowie 14 Prozent der Gewerbetreibenden an, sie wären mit einem Schild "Anlieger frei" zufrieden", 21 Prozent können sich eine Spielstraße vorstellen, mit Schrittgeschwindigkeit, aber dem Erhalt vieler Parkplätze. 37 Prozent der Haushalte und sieben Prozent der Gewerbetreibenden würden ein Shared-Space-Modell begrüßen, das die Straßenverkehrsordnung jedoch nicht vorsieht. 42 Prozent der Haushalte und 21 Prozent der Gewerbetreibenden plädieren für eine Fußgängerzone, bei der alle Parkplätze entfallen würden, bis auf Lieferzonen. Und ein letzter Aspekt: 80 Prozent der Gewerbetreibenden erwarten sich durch eine Verkehrsberuhigung keinerlei Änderung ihres Geschäftsumsatzes, sechs erwarten sogar eine Zunahme, nur drei Betriebe befürchten Einbußen.

Am 19. Januar befasst sich der BA mit den Ergebnissen, dann wird - Stufe 2 - das "Referat für Stadtverbesserung" Vorschläge entwickeln. Die Gruppe von angehenden Architekten und Städteplanern der Technischen Universität hat im August 2020 mit einer Aktion an der Schwanthalerstraße auf sich aufmerksam gemacht: Einen Tag lang wurde ein 100 Meter langer Abschnitt zur grünen Sperrzone. Für das Projekt Volkartstraße hat das Kollektiv 10 000 Euro Förderung bei der Stadt beantragt, 2500 Euro legt der BA noch drauf: für Material für den Dialog mit den Anwohnern, Visualisierungen möglicher Straßenraum-Entwürfe, Flyer und Plakate und für ein Straßenfest, bei dem in der dritten Stufe die Ideen der Studentengruppe wieder mit den Anwohnern diskutiert werden sollen. Das aber wird wohl pandemiebedingt kaum vor dem Frühsommer stattfinden. Erst danach will der BA einen Antrag an die Stadtverwaltung auf den Weg bringen.

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SZ vom 12.01.2021
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