Neues Wohnviertel:Eroberung der Parkstadt Schwabing

Neues Wohnviertel: Bunt aber leblos: die Parkstadt Schwabing.

Bunt aber leblos: die Parkstadt Schwabing.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Amazon, Osram oder Fujitsu : Es sind große Namen, welche die strategisch günstige Nähe der Parkstadt Schwabing zur Stadt und der Welt nutzen.
  • Auf die Wirtschaftsunternehmen folgfen nun Kultur und Politik. Die CSU will dort ihre neue Parteizentrale errichten.
  • Bald sollen auch ein Kino, eine neue Gaststätte, eine Kindertagesstätte und eine Medienakademie gebaut werden.

Von Alfred Dürr und Katja Riedel

Auf den Treppenstufen vor der Feldherrnhalle gibt es diese ganz besondere Stelle. Während man dort sitzt, ein Feierabendbier in der Hand, und in den roten Abendhimmel blickt, liegt das neue München wie eine Vision vor Augen, es spiegelt sich in den Türmen, den Highlight-Towers, die sich weit hinter dem Siegestor am Horizont erheben. Dass das Wahrzeichen des neuen Stadtquartiers genau in der Sichtachse der historischen Monumentalbauten an der Ludwig- und Leopoldstraße liegt, war den Verantwortlichen im Rathaus ziemlich spät aufgefallen. Da war schon alles genehmigt. Ein heftiger Streit entbrannte, aber der damalige Oberbürgermeister Christian Ude warnte vor einer Überdramatisierung: "Da wird doch nicht die Zerstörung Münchens beschlossen."

Wer am Odeonsplatz sitzt, hat die Altstadt im Rücken, das althergebrachte Zentrum. Das München von Morgen scheint schon vor der Stadt zu liegen, an der Autobahn. Und doch wird jene Peripherie, die sich in schönfärberischer Immobilienprosa "Parkstadt Schwabing" nennt, immer mehr zu einem zweiten Zentrum der Stadt: Erst zog die Wirtschaft an die Stadtgrenze im nördlichen Schwabing und in die gläsernen Türme, dann kamen die Menschen in das neue Wohnviertel. Und jetzt ziehen ihnen auch die ersten Vertreter aus der Kultur und ausgerechnet aus der Politik hinterher - noch dazu die Traditionalisten von der CSU. Diese plant, in das sogenannte Langenscheidt-Gebäude, gleich neben den Türmen, zu ziehen.

Lange entwickelte sich das neue Zentrum unbeobachtet

Es sind große Namen, welche die strategisch günstige Nähe zu Stadt und Welt nutzen, hin zum Flughafen, der für internationale Konzerne, für die mobilen Arbeiter aus den Technologiekonzernen ein wichtiger Standortfaktor ist: für die Mitarbeiter der Zentralen von Amazon.de, der ehemaligen Siemens-Töchter Fujitsu und Osram, für viele andere Unternehmen, die in der Parkstadt Schwabing moderne Bürokomplexe finden, auch solche Flächen, die sie nur zeitweise hinzu mieten können.

Lange entwickelte sich dieses neue wirtschaftliche Zentrum, das in zehn Minuten per Tram von der Münchner Freiheit aus erreicht werden kann, fast unbeobachtet von der Öffentlichkeit. Die allerersten Anfänge der Parkstadt Schwabing reichen bis ins Jahr 1986 zurück. Aus einem städtebaulich gar nicht attraktiven Gewerbegebiet sollte ein modernes Quartier zum Wohnen und Arbeiten werden und damit eines der größten neuen Entwicklungsgebiete in der Stadt. Wesentlicher Motor dieser Entwicklung war und ist der Münchner Immobilienunternehmer Helmut Röschinger mit seiner Firma Argenta. Röschinger ist der größte Grundeigentümer.

Allerdings hatte die Parkstadt mit Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln kam man nur schlecht in das neue Quartier. Die neue Straßenbahnlinie wird gut angenommen. Ende der Neunzigerjahre lahmte die Konjunktur. Es ging nur äußerst zögerlich mit den geplanten Bauvorhaben voran. Auch die geraden Linien und modernen Formen des Parks waren für viele gewöhnungsbedürftig. Doch die Parkstadt Schwabing hat rasch wieder an Attraktivität gewonnen. Immer mehr Firmen siedelten sich an, es wurde heftig gebaut. Die gute Verkehrsanbindung und noch relativ moderate Mietpreise gelten als Standortvorteil.

Das modernste Bürogebäude Deutschlands entsteht in der Parkstadt

Ein wesentlicher Impuls war es, als Microsoft im vergangenen Jahr - für viele überraschend - ankündigte, in der Parkstadt Schwabing und in der letzten verbliebenen Baulücke, einen Bürokomplex zu errichten, der die Zukunft der Arbeit symbolisieren soll.

Microsoft will hier die nötige Infrastruktur für genau diese Zukunft errichten. Das modernste Bürogebäude Deutschlands soll es werden, weniger Arbeitsplatz als ein Treffpunkt für all jene, die überall arbeiten sollen, unterwegs sein, nur hin und wieder in einem temporären Büro irgendwo auf der Welt. Microsoft erhofft sich, so attraktiver für die jungen Talente zu werden, für all jene, die ihren Arbeitsplatz viel stärker nach Wohlfühl- als Karrierefaktoren auswählen als frühere Generationen, denen das Unterwegssein Wert an sich ist, genauso wie der Latte Macchiato am Schreibtisch.

Kurz vor Weihnachten kam ein weiterer neuer Parkstadt-Zuzügler hinzu, der den Hipness-Faktor des Standortes bereichern dürfte: Der Filmkamera-Hersteller Arri unterschrieb den Kaufvertrag für ein Grundstück, auf dem er ein großes Medienzentrum errichten will. Auf diesem Areal sollen künftig nicht nur Kameras und Filmlicht industriell gefertigt werden, hier soll es bald auch ein Kino geben, eine Gaststätte, eine Kindertagesstätte und eine Medienakademie.

All dies wird kreative Menschen in das Viertel bringen, die es beleben, verändern, die in Cafés sitzen möchten oder einkaufen. Das Viertel dürfte bald mehr Schwabing und weniger Parkstadt werden. Dass die CSU dort ihre Zukunft sucht, ist also ein Statement, drückt den Wunsch nach Modernität aus. Dass sie im langgestreckten Langenscheidt-Haus im Schatten der Highlight-Towers sitzen wird, schmälert die Wirkung nicht. Man darf gespannt sein, wer als nächster seinen Umzug ankündigt.

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