Neues Zentrum an der Nordhaide:Warum die Fach- und Berufsoberschulen boomen

Neues Zentrum an der Nordhaide: Der Neubau an der Nordhaide beherbergt eine Berufs- und eine Fachoberschule sowie die Fachakademie für Heilpädagogik.

Der Neubau an der Nordhaide beherbergt eine Berufs- und eine Fachoberschule sowie die Fachakademie für Heilpädagogik.

(Foto: Robert Haas)
  • Berufs- und Fachoberschulen in München haben immer mehr Zulauf.
  • Nicht für alle Schüler ist das Gymnasium der richtige Weg - sie entscheiden sich erst später, die Allgemeine Hochschulreife abzulegen.
  • Die Hälfte der Münchner Abiturienten kommt nicht mehr vom Gymnasium.

Von Melanie Staudinger

Ganze 26 Jahre musste Karl Henghuber auf diesen Moment warten, in dem er endlich sein eigenes Schulhaus beziehen konnte. Solange hat er ausgeharrt, bis seine städtische Berufsoberschule (BOS) mit der Ausbildungsrichtung Wirtschaft ein Gebäude bekommen hat. Zuvor war sie nur Untermieterin in verschiedenen Objekten, zuletzt an der Heidemannstraße, musste oft umziehen. Nun aber residiert sie gemeinsam mit der Robert-Bosch-Fachoberschule und der Fachakademie für Heilpädagogik im neuen beruflichen Schulzentrum an der Schleißheimer Straße. "Von außen ist das Gebäude unscheinbar, von innen aber großartig", sagt BOS-Leiter Henghuber. An diesem Freitag wird es offiziell eingeweiht.

Der Neubau neben dem Wohngebiet Nordhaide zeigt auch, welchen Stellenwert sich Fachoberschulen und Berufsoberschulen in den vergangenen Jahren in München erarbeitet haben: Mittlerweile erwirbt fast die Hälfte aller Absolventen ihre Hochschulreife nicht mehr am Gymnasium, sondern an den sogenannten beruflichen Schulen. Im Schuljahr 2013/14 zählten die Gymnasien 3727 Abiturienten, die beruflichen Schulen 3649. Und ihre Schülerzahl steigt stetig an: Besuchten im Jahr 2005/06 noch 4700 Schüler eine FOS oder BOS, waren es in diesem Jahr bereits knapp 6300. "Der Weg zur Hochschulreife muss nicht immer über das Gymnasium führen", sagt Stadtschulrat Rainer Schweppe (SPD). Der praxisbezogenere Lehransatz der beruflichen Schulen sei für viele Schüler der passendere Weg zum Erfolg.

Es gibt viele Wege zur Hochschulreife

In der Öffentlichkeit ist dieser Trend jedoch noch nicht angekommen. Jedes Jahr spielen sich an den Grundschulen kleine und große Dramen ab. Eltern feilschen um Viertelpunkte in den Proben, drohen mit dem Anwalt, Kinder weinen: Die Noten müssen stimmen. Denn nur Mädchen und Buben, die es aufs Gymnasium schaffen, hätten eine große Zukunft vor sich, meinen viele und bedenken nicht, dass manche auf dem Weg zum Abitur scheitern, weil sie von Anfang an vielleicht eher praktisch orientiert waren. Dabei gibt es viele Wege zur Hochschulreife, wenn auch nicht so geradlinige wie den des Gymnasiums. "Vielleicht sind unsere Systeme ein wenig kompliziert", vermutet Henghuber.

Seine BOS war eine der ersten in Bayern, 1969 gegründet. Für den Besuch ist eine abgeschlossene Lehre Voraussetzung und eigentlich auch ein mittlerer Schulabschluss. Wer keinen hat, besucht zunächst eine Vorklasse. "Damit haben alle Schüler in der zwölften Klasse mehr oder weniger den gleichen Stand", sagt Henghuber. An der BOS können sie drei Abschlüsse machen: die Fachhochschulreife, die ein Studium an einer Fachhochschule ermöglicht, sowie die fachgebundene und die allgemeine Hochschulreife, mit der man an der Universität studieren kann. Ein Vorteil der BOS: Sie zählt als Weiterbildung, weshalb fast alle Schüler eine finanzielle Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (Bafög) bekommen.

Schüler aus 34 Nationen

Vieles habe sich in den vergangenen drei Jahrzehnten verändert, berichtet Henghuber. Zum einen seien die Schüler jünger geworden. "Als ich als Lehrer anfing, hatte ich Leute in meiner Klasse, die waren älter als ich", sagt er. Heute seien die meisten wesentlich jünger als 35 Jahre. Zudem stelle er fest, dass sich die Schulart BOS gerade bei Migranten durchsetze. Mehr als ein Drittel seiner knapp 500 Schüler spreche daheim nicht deutsch, sie stammten aus 34 verschiedenen Nationen.

"Bei uns geht es nicht nur ums Zeugnis, sondern darum, den Horizont zu erweitern", sagt der Direktor. Dabei helfen sollen die gut besuchten Theatergruppen, die Schulorchester, die Schülerzeitung oder die englische Stammtischrunde. Als Erfolg wertet Henghuber, dass neun von zehn Kandidaten ihr Abitur bestehen. Was nämlich gleich geblieben ist: Wer nach der Ausbildung noch einmal in die Schule geht, ist in der Regel hoch motiviert.

Immer mehr nehmen den alternativen Weg zum Abi

Den Boom bekommt auch Werner Maul zu spüren. Er leitet seit 2004 die staatliche FOS und BOS Technik an der Orleansstraße. Damals gab es 45 Klassen, heute sind es 65, sie sind am Ostbahnhof und an der Bergsonstraße untergebracht. "Wir haben mittlerweile einen großen Anteil an Mittelschülern, weshalb die Schülerschaft nicht mehr so homogen ist", erzählt Maul. Vor allem an der FOS, die die gleichen Abschlüsse wie die BOS anbietet, jedoch keine Ausbildung voraussetzt. Von seinen 532 Schülern kommen zum Beispiel 380 aus der Realschule, 85 aus der Mittelschule und 40 vom Gymnasium - eine Aufsteigerschule.

"Gerade Migranten und Arbeiterkinder sehen die FOS als ihren Weg, vielleicht weil er praxisnäher ist", sagt Maul. Die Hälfte der elften Klasse verbringen die Jugendlichen im Praktikum, dazu hat die Schule eigene Verträge mit Firmen geschlossen. Im September will die FOS Technik eine neue Ausbildungsrichtung anbieten: Agrar-, Bio- und Umwelttechnologie. "Viele Leute haben uns nach diesem Angebot angefragt", sagt Maul. Auch will er damit mehr Mädchen für seine Schule interessieren, sie stellen bisher nur gut 15 Prozent. Eventuell kann auch er bei der Einschreibung mit einem neuen Schulgebäude werben. Derzeit prüft die Stadt eine Erweiterung.

Einschreibung

Die Einschreibung für die Fachoberschulen und die Berufsoberschulen für das Schuljahr 2016/17 finden von Montag, 22. Februar, bis Freitag, 4. März, statt. Für die private Friedrich-Oberlin-Fachoberschule für Sozialwesen und Wirtschaft, Verwaltung und Rechtspflege ist die Anmeldung vom 22. Februar bis 11. März möglich. Die Aufnahmeprüfung in der städtischen Fachoberschule für Gestaltung ist am Mittwoch, 9. März. Wer sich vorher über die Schulen informieren will, hat dazu in den kommenden Tagen und Wochen Gelegenheit. Eine komplette Liste der Termine für die Informationsabende findet sich im Internet unter www.muenchen.de/schuleinschreibung. Dort auf Fachoberschule oder Berufsoberschule klicken. mest

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