Neues Exponat:Über Japan nach München

Neues Exponat: Die Physiker Heinrich Barkhausen und Karl Kurz stießen 1917 bei Messungen mit dieser Röhre zufällig auf elektromagnetische Schwingungen im Bereich von einigen hundert Megahertz.

Die Physiker Heinrich Barkhausen und Karl Kurz stießen 1917 bei Messungen mit dieser Röhre zufällig auf elektromagnetische Schwingungen im Bereich von einigen hundert Megahertz.

(Foto: Deutsches Museum)

Die Barkhausen-Kurz-Röhre hat die Entwicklung des Radars ermöglicht - nun ist sie im Deutschen Museum ausgestellt

Von Christian Gschwendtner

Ein kleiner Coup ist dem Deutschen Museum da gelungen. Und deshalb wollten die Museumsverantwortlichen wohl auf den letzten Metern auch kein Risiko eingehen. Sie haben eine spezialisierte Kunstspedition beauftragt. Nicht auszudenken, wenn die berühmte Barkhausen-Kurz-Röhre ausgerechnet beim Rücktransport von Japan nach München in die Brüche gegangen wäre - nachdem sie die Jahrzehnte davor unbeschadet überstanden hat. Entgegen aller Progosen.

Die Vakuumröhre hat ohne Zweifel Wissenschaftsgeschichte geschrieben. Die Physiker Heinrich Barkhausen und Karl Kurz haben während des Ersten Weltkriegs an ihr herumexperimentiert. Und sind so 1917 bei Messungen zufällig auf elektromagnetische Schwingungen im Bereich von einigen hundert Megahertz gestoßen. Ein folgenreicher Fund, wie sich später noch herausstellen sollte. Die Entdeckung diente nämlich als Türöffner für die Hochfrequenztechnik. Und die Entwicklung des Radars. Doch kurios ist, was anschließend passierte.

Alles fing damit an, dass der Entdecker Heinrich Barkhausen die Röhre 1941 in ein Osterei verpackte. Es war passenderweise Ostern und der Physiker wollte seinem Lieblingsdoktoranden, dem Japaner Yoji Ito, eine Freude machen. Er schenkte ihm die berühmte gewordene Röhre. Ito befand sich gerade in Begleitung einer japanischen Militärdelegation auf Deutschlandbesuch. Er wollte das Geschenk selbstverständlich zurück in die Heimat mitnehmen. Inmitten des Zweiten Weltkriegs kein leichtes Unterfangen, der Weg über die Sowjetunion war versperrt. Also sah sich der Japaner gezwungen, eine abenteuerliche Reise anzutreten - über Italien, Spanien, Brasilien und Argentinien. Erst dreieinhalb Monate nach seiner Abreise in Berlin erreichte er schließlich mit einem Frachtschiff den Hafen von Yokohama. Seitdem befand sich die Barkhausen-Kurz-Röhre im Besitz der Familie Ito. 75 Jahre lang, dann beschloss der Sohn Hiromasa, das Forschungsgerät wieder zurück nach Deutschland zu geben. Das war Anfang dieses Jahres.

So gesehen taugt die Barkhausen-Kurz-Röhre durchaus als Beleg für die deutsch-japanische Verbundenheit. Der Physiker Ito sprach nicht nur fließend Deutsch. Er übersetzte neben dem Struwwelpeter auch das Werk seines deutschen Doktorvaters ins Japanische. Die beiden Wissenschaftler verband eine innige Freundschaft. Ein Aspekt, den auch das Deutsche Museum in den Vordergrund rückt, wenn es das Exponat jetzt ausstellt. "Die Röhre erzählt mehr als eine Geschichte", sagt Johannes-Geert Hagmann, Leiter der Hauptabteilung Technik am Deutschen Museum. "Sie ist ein Meilenstein in der Technik, aber sie ist ebenfalls ein Symbol der Freundschaft von zwei Wissenschaftlern."

Hagmann hat die Gespräche mit der Stifterfamilie über Monate hinweg geführt. Anfang des Jahres bekam er endlich grünes Licht: Die Röhre konnte in den Fundus des Deutschen Museums übergehen.

Besonders fasziniert hat Hagmann, dass das Exponat einmal um den Globus gewandert ist, bevor es wieder zurück nach Deutschland kam. Aktuell hat es einen Platz in einer Vitrine neben dem Ehrensaal gefunden. Die Stationen der Reiseroute sind ebenfalls auf einer Tafel im Museum nachgezeichnet. Wobei natürlich klar gestellt werden muss, dass die Rückkehr aus Japan weitaus weniger abenteuerlich verlief als der Hinweg. Statt mit dem Schiff wurde die Röhre per Flugzeug nach München gebracht. Im Nachhinein muss man außerdem den Aufenthalt in Japan als Glücksfall bezeichnen. Alle anderen Vakuum-Versuchsröhren sollen bei den Bombenangriffen auf Dresden zerstört worden sein. Das vertraute Barkhausen seinem japanischen Freund angeblich bei einem letzten Treffen nach dem Krieg an.

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