Gut einen Monat ist es erst her, dass Stadtbaurätin Elisabeth Merk „einen vollen Erfolg“ vermeldete. Es ging dabei um die Ergebnisse einer „Ideenwerkstatt“ für einen neuen Stadtteil, der im Münchner Norden, rund um den Ortskern Feldmoching entstehen soll. Es gebe dort „Potenzial für eine qualitätvolle Siedlungsentwicklung“, die „im Einklang mit der Landschaft geschehen“ müsse, meldete Merks Behörde, das Planungsreferat, am 1. April.
Nur ein paar Tage später allerdings musste das Referat sich beim selben Thema, den Plänen für den Münchner Norden, mit einem ziemlichen Misserfolg abfinden: Es nahm am 9. April die Rechtsmittel gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts München zurück und akzeptierte es damit. Den Vorgang öffentlich gemacht hat Labbé und Partner, die Anwaltskanzlei des siegreichen Klägers.
Dieses Urteil hat der Stadt ein wichtiges Instrument für die Gestaltung des Siedlungsprojekts genommen, nämlich die Vorkaufsatzung, die der Stadtrat erlassen hatte. Damit wollte die öffentliche Hand sich einerseits Zugriff auf Flächen sichern, um mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen zu können. Andererseits wollte die Stadt damit Grundstücksspekulation vorbeugen.
Auslöser des Urteils war der private Verkauf einer nur etwa 1000 Quadratmeter großen Fläche an der Ferchenbachstraße, an der auch der Feldmochinger See liegt. Die Stadt trat nach einem entsprechenden Stadtratsbeschluss in den Vertrag als Käuferin ein. Dagegen klagte der Verkäufer.
Grundlage war jene Vorkaufsatzung, die im Jahr 2018 in Kraft getreten war. Damals, noch in der Zeit der schwarz-roten Koalition hatte der Stadtrat für die Entwicklung des Münchner Nordens ein sogenanntes Kooperatives Stadtentwicklungsmodell (Kosmo) beschlossen und sich in diesem Zuge auch ein Vorkaufsrecht für ein 880 Hektar großes Gebiet zugesprochen. Die Fläche ist größer als der Stadtbezirk Untergiesing-Harlaching.
Aus Sicht des Verwaltungsgerichts war die Vorkaufsatzung unwirksam, weil die von der Stadt formulierte planerische Ziele für die Ländereien, die sich zum größten Teil von der A99 im Norden bis zum Stadtteil Fasanerie im Süden erstrecken, nicht „hinreichend konkret“ gewesen seien. So heißt es in der Urteilsbegründung. Festgeschrieben habe die Stadt „allenfalls allgemeine Erwägungen, die sich letztlich auf jedes beliebige, am Stadtrand gelegene Gebiet übertragen ließen“. Das aber rechtfertige keine Vorkaufsatzung, erst recht nicht für ein so großes Gebiet.
Die Stadt stellte bei der zweiten Instanz, dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH), einen Antrag auf Zulassung der Berufung. Nachdem der VGH darauf hingewiesen hatte, dass der Antrag voraussichtlich chancenlos sei, zog die Stadt ihn zurück. Mitte April 2025 wurde das Urteil rechtskräftig.
Das Thema hat auch schon die Politik erreicht. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) teilt auf Anfrage mit, er habe die Verwaltung „beauftragt zu prüfen, welche Auswirkungen das Urteil mit sich bringt. Erst danach kann ich mich dazu äußern, wie wir im Münchner Norden weiter vorgehen“.
Das Planungsreferat und das Kommunalreferat, das die städtischen Grundstücke verwaltet, hätten bereits mit der Prüfung begonnen, erklärt ein Sprecher, und zwar „insbesondere hinsichtlich des Neuerlasses der Satzung“. Denn, so ergänzt er: „Grundsätzlich sieht die Stadt München das Vorkaufsrecht als wichtiges Instrument der Stadtentwicklungsplanung an.“

Ergebnisse der Ideenwerkstatt:Wie sich der Münchner Norden verändern soll
Eine Woche lang saßen Experten und Bürger zusammen, um sich zu überlegen, wie die geplante Bebauung im SEM-Gebiet rund um Feldmoching aussehen könnte. Eine Ausstellung zeigt nun die Ergebnisse.
Die Fraktion Die Linke/Die Partei hat auch schon eine Pressemitteilung mit diesem Tenor verschickt: „Vorkaufsrecht jetzt rechtssicher gestalten – bezahlbares Wohnen im Münchner Norden sichern“, heißt es da.
Dirk Höpner, Stadtrat der München-Liste und Mitglied im Bezirksausschuss Feldmoching-Hasenbergl, sieht eine zusätzliche Besiedlung des Münchner Nordens zwar grundsätzlich kritisch. Andererseits befürchtet er, dass es nun zu einem „hektischen Hin-und-her-Verkaufen von Grundstücken kommt“, weil das Vorkaufsrecht weg ist.
Allerdings gibt es eine weitere Beschränkung. Die Stadt ist im Jahr 2020, unter der damals neuen grün-roten Koalition, umgeschwenkt von einer Entwicklung mit dem Kosmo-Modell zu einer sogenannten städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM), die unter anderem eine Deckelung der Bodenwerte vorsieht. Die Vorkaufsatzung blieb davon damals unberührt.
Die CSU, die sie 2018 noch mitbeschlossen hatte, hat ihre Meinung geändert. „Ich würde das jetzt nicht mehr tun“, sagt Stadtrat Alexander Reissl. Er verweist auf die Struktur der Grundstückseigentümer im Norden, „das sind fast alles alte Bauernfamilien, die verkaufen nicht“.
Tatsächlich hat die Stadt in dem ganzen Gebiet seit 2020 bis zum Gerichtsurteil nur viermal das Vorkaufsrecht ausgeübt und sich damit eine Fläche von 13 400 Quadratmetern gesichert, also 1,34 von insgesamt 880 Hektar. Dass es so wenige Verkäufe gab, könnte aber auch daran gelegen haben, dass das Vorkaufsrecht der Stadt und die SEM-Regeln potenzielle Verkäufer abgeschreckt haben.
Paul Bickelbacher von den Grünen ist zuversichtlich, dass die Prüfungen der Stadt auf eine neue Vorkaufsatzung hinauslaufen. „Inzwischen sind wir mit der Planung viel weiter, damit können wir den Malus, der zu dem Urteil geführt hat, locker ausgleichen“, sagt er. Mit den Fortschritten meint Bickelbacher auch die Ergebnisse der Ideenwerkstatt von Anfang April. Er rechnet schon für den Herbst mit einem Stadtratsbeschluss für ein neues Vorkaufsrecht.