Neuer Pinakotheken-Chef Maaz:"Jemand, der für alles Interesse hat"
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Mit Bernhard Maaz haben die Münchner Pinakotheken einen neuen Direktor bekommen, der weiß, wie man ein Museum zum Funktionieren bringt. Das hat er in Berlin und Dresden bereits bewiesen - doch in München trifft er jetzt auf sehr spezielle Verhältnisse.
Von Gottfried Knapp
Die in den vergangenen Jahren vorgenommenen Neubesetzungen von Direktoren- und Intendantenposten an den großen Kulturhäusern Bayerns haben die Öffentlichkeit immer wieder vor Rätsel gestellt. Warum zum Beispiel wurden die Intendantenposten der drei großen staatlichen Theater Münchens mit Österreichern besetzt? Würde Entsprechendes in Wien passieren, käme es dort zu monatelangen Proteststürmen.
Als in München ein neuer Generaldirektor für die Staatsgemäldesammlungen und ein Koordinator für die hier laufenden oder anstehenden großen Bauaufgaben gesucht wurde, war ein Österreicher offenbar nicht in Sicht. Nach langen Vertragsverhandlungen ist es dem Freistaat gelungen, den Kunsthistoriker Bernhard Maaz aus Dresden, wo er seit 2010 zwei wichtige Museen leitet, als Chef nach München zu locken. Wie perfekt der Werdegang von Bernhard Maaz als Wissenschaftler, Ausstellungsmacher, Umbaukoordinator und Museumsdirektor dem Aufgabenprofil entspricht, das ihn in München erwartet, wird schon bei einer reinen Aufzählung dessen klar, was er auf seinen früheren Posten alles geleistet hat.
Karrierestart in Berlin
Bernhard Maaz, 1961 in Jena geboren, hat von 1981 bis 1986 Kunstwissenschaften und Archäologie in Leipzig studiert und 1991 sein Studium mit einer Arbeit über den klassizistischen Berliner Bildhauer Friedrich Tieck abgeschlossen. Als Spezialist für die Bildkünste des Klassizismus und der Romantik ist Maaz in der Alten Nationalgalerie in Berlin bald vom wissenschaftlichen Mitarbeiter zum Kustos und 2003 zum Leiter befördert worden. In dieser Zeit hat er die Generalsanierung des Stülerschen Altbaus geleitet und an der viel gerühmten Neuordnung der Bestände mitgewirkt.
Der hohe Rang, den er als Kenner den Bildhauerarbeiten des 19. Jahrhunderts in der Nationalgalerie und im Skulpturenmuseum in Schinkels Friedrichwerderscher Kirche zugeteilt hat, lässt ihn als idealen Anreger für Münchens Museen erscheinen: In der Neuen Pinakothek, die für das 19. Jahrhundert zuständig ist, sind die wenigen plastischen Bildwerke aus dieser Epoche in die dunklen seitlichen Rampengänge verbannt, die entsprechenden Abteilungen im Bayerischen Nationalmuseum aber sind seit Jahrzehnten geschlossen.
Maaz ist kein Alleskönner, aber an Allem interessiert
Neben seinen grundlegenden Arbeiten im Bereich Skulptur hat Maaz in seiner Berliner Zeit immer wieder auch Ausstellungen zur Malerei des 19. Jahrhunderts und zur zeitgenössischen Kunst kuratiert. Die von ihm betreute Schau über das Werk des Dresdner Malers Carl Gustav Carus hat im Jahr 2009 dann erstmals eine Brücke von Berlin nach Dresden geschlagen.
Und da der damalige Generaldirektor der Dresdner Museen, Martin Roth, den Kunstkenner und Organisator Maaz bei der Planung der 2007 in Brüssel gezeigten Ausstellung "Blicke auf Europa" schätzen gelernt hatte, lockte er den Berliner Museumsmann nach Dresden, indem er ihm die Leitung gleich zweier bis dahin getrennt geführter Museen anbot, der weltberühmten Gemäldegalerie Alte Meister und des ähnlich hoch geschätzten Kupferstichkabinetts.
Die für das 19. und 20. Jahrhundert zuständige Gemäldegalerie Neue Meister freilich, mit der er bei der Carus-Ausstellung schon zusammengearbeitet hatte, war ihm nicht unterstellt. Von Journalisten gefragt, ob er diesen Wechsel im Zuständigkeitsbereich für richtig halte, hat Maaz damals geantwortet, er sei kein Alleskönner, "aber jemand, der für alles Interesse hat". Und auf eines der Hauptstücke der Dresdner Galerie anspielend, sagte er: "Es kommt nicht darauf an, dass ich als Direktor alles über Giorgione weiß, sondern dass ich weiß, wie ein Museum funktioniert."
Direktoren-Zeit in Dresden und Berlin
Und wie man ein Museum zum Funktionieren bringt, wie man in kluger Absprache mit anderen Museen Ausstellungen organisiert und wie man den Ärger einer Gebäudesanierung am Ende in einen Triumph für das ganze Museum ummünzt, hat Maaz sowohl in seiner Berliner als auch in seiner Dresdner Direktoren-Zeit eindrucksvoll vorgeführt.
Zu den wichtigen Anregungen, die in den letzten Jahren vom Dresdner Kupferstichkabinett ausgingen, gehört beispielsweise die Retrospektive zum Werk des aus der Schweiz stammenden Zeichners Adrian Zingg, der in den Siebzigern des 18. Jahrhunderts in Dresden die hohe Kunst der Landschaftsdarstellung an Motiven aus der sächsischen Umgebung so subtil modernisiert hat, dass er als direktes Vorbild der Romantiker gefeiert werden kann. Im übrigen hat das Kupferstichkabinett mit Fotografie-Ausstellungen, Einzelschauen zur Plakatkunst, zu Künstlerbüchern und zur zeitgenössischen Grafik eine Ahnung von der Vielfalt ihrer Bestände gegeben.
In der Gemäldegalerie Alte Meister stand 2012 der 500. Geburtstag der berühmtesten Persönlichkeit des Hauses, der "Sixtinischen Madonna" von Raffael, an. Das Museum leitete das populäre Ereignis mit der Ausstellung "Himmlischer Glanz. Raffael, Dürer und Grünewald malen die Madonna" erfolgreich ein. Die Jubiläumsschau selber konzentrierte sich dann ganz auf die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der "Sixtinischen Madonna": Sie wurde bei dieser Gelegenheit erstmals ins Erdgeschoss heruntergeholt und dort in einem eigens geschnitzten Rahmen, wie er bei Altarbildern der Renaissance üblich war, gezeigt.
Aber auch für die Hauptaufgabe, die bei den Alten Meistern zu bewältigen war, für die Sanierung der von Gottfried Semper errichteten, nach dem Krieg mit teilweise ungeeigneten Materialien wieder aufgebauten Gemäldegalerie am Zwinger, schien Bernhard Maaz, der die Restaurierung der Nationalgalerie in Berlin geleitet hatte, der richtige Mann zu sein. Man entschloss sich, wie später auch bei der Alten Pinakothek, zuerst den einen Flügel und dann den anderen zu sanieren. Während der Baujahre sollte eine möglichst repräsentative Auswahl an Hauptwerken im jeweils nicht bebauten Flügel gezeigt werden. Vom nicht ausgestellten Rest profitieren andere Ausstellungsinstitute, wie derzeit die Hypo-Kunsthalle in München.
Pfusch in München als Problem
Bei der Neupositionierung der Alten Meister auf der Hälfte des Raums sind die Bestände so geschickt ausgedünnt, konzentriert, ja an einigen Stellen sogar durch bislang Nichtgezeigtes thematisch ergänzt worden, dass man die Einschränkung fast als Bereicherung empfindet. Die Bestände verlieren an Vielfalt, verdichten sich aber im gleichen Maß und führen so beispielhaft vor, wie Museen bei Zwangsschließungen ganzer Abteilungen ihre Attraktivität und ihren Anspruch bewahren können.
Auch in München musste das Museum der Alten Meister, die Pinakothek, für Jahre partiell geschlossen werden. Doch während in Dresden vorwiegend Material- mängel aus den Wiederaufbaujahren eine Sanierung erzwingen, ist es in München der Pfusch, den die von den staatlichen Behörden bei Kulturbauten so gerne beauftragten Billigfirmen bei der letzten Totalsanierung 1994 - das Haus war vier Jahre lang geschlossen - hinterlassen haben.
Steuerzahler muss Resanierung bezahlen
Die damals in Klenzes Oberlichter eingebauten Verschattungsanlagen haben nie richtig funktioniert, blieben immer geschlossen; alle Räume werden seither künstlich belichtet. Die Museumsleitung und die verantwortlichen Behörden haben diese Skandal-Sanierung, die einer Zerstörung gleichkam, jahrelang vor der Öffentlichkeit geheim gehalten. Aber auch die Glasscheiben, die damals im Obergeschoss in die Fenster der Südgalerie eingebaut worden sind, müssen jetzt allesamt ersetzt werden, weil der von einer Billigfirma angebotene glasinterne UV-Schutz schon nach wenigen Wochen wie altes Öl in den Scheiben heruntergelaufen und hängengeblieben ist.
Als man die Schwindelfirma damals belangen wollte, hat sie sich flink in den Konkurs gerettet. Jetzt muss der Steuerzahler die Resanierung der damals geleisteten teuren Kaputtsanierung bezahlen. Und viele der wichtigsten Bilder bleiben für Jahre weggesperrt. Alle Betroffenen tun aber so, als sei dieses herbeigesparte Unglück gottgegeben.
Maaz muss verhärtete Fronten auflösen
Auf Bernhard Maaz warten in München also sehr spezielle Verhältnisse. Wenn es beim dritten Anlauf nach dem Krieg endlich gelingen sollte, die Oberlichter von Klenze wiederherzustellen, wartet gegenüber die Neue Pinakothek auf ihre erste fällige Generalsanierung. Die Pinakothek der Moderne ist aber schon bei ihrer Errichtung von den staatlichen Behörden so sträflich kurz gehalten worden, dass Bauschäden nicht zu vermeiden waren. Der völlig überflüssige Riegel für die Sammlung Brandhorst aber ist so fett alimentiert worden, dass er eigentlich das Zehnfache dessen enthalten müsste, was er zu bieten hat.
Mit Sonderausstellungen versuchen die Staatsgemäldesammlungen, dem Bau etwas Leben einzuhauchen. Doch all diese Anstrengungen machen das Fehlen des Erweiterungsbaus der Pinakothek der Moderne, also jenes Hauses, in dem die Graphische Sammlung sich ausbreiten und die staatlichen Museen endlich große Sonderausstellungen zeigen könnten, umso schmerzhafter deutlich. Wenn es Bernhard Maaz gelingen würde, an dieser Stelle die verhärteten Fronten aufzulösen, würde er für die bayerische Museumslandschaft Bedeutendes leisten.