Neuer Oberbürgermeister für München:Ein Weg voller Gefahren

Immer klarer zeichnet sich ab, dass Dieter Reiter der Oberbürgermeister-Kandidat der SPD werden wird. Doch das Verfahren, wie dieses Ziel erreicht werden soll, ist noch völlig unklar.

Peter Fahrenholz

Es gibt Situationen in der Politik, da sind die Dinge gleichzeitig klar und völlig unklar. In so einer Lage steckt die Münchner SPD. Klar ist im Moment, dass die Diskussion, wen die Partei als möglichen Nachfolger von Christian Ude für die Oberbürgermeister-Wahl des Jahres 2014 nominieren wird, urplötzlich eine Eigendynamik entwickelt hat, die alle Zeitpläne über den Haufen werfen dürfte.

Eröffnung der "Historischen Wiesn", 2010

Die Kunst bei der Kür besteht darin, dass Udes Wunsch am Ende auch der Wunsch der Genossen ist.

(Foto: Stephan Rumpf)

Es wird wohl alles schneller gehen als gedacht, wenn vielleicht auch nicht ganz so schnell, wie manche glauben. "Es hat jetzt ein bisschen Schub gegeben", sagt SPD-Chef Hans-Ulrich Pfaffmann abwiegelnd.

Immer klarer wird auch, dass es, wenn alles nach den Grundsätzen der politischen Vernunft läuft und die SPD nicht völlig den Kopf verliert (wofür es unrühmliche Beispiele in der Vergangenheit gibt), am Ende auf Dieter Reiter als OB-Kandidaten hinauslaufen wird. Völlig unklar ist dagegen das Verfahren, mit dem dieses Ziel erreicht werden kann.

"Eher skeptisch"

Pfaffmann ist deshalb "eher skeptisch", dass der Münchner SPD-Kandidat bis Mitte 2011 bereits formell gekürt ist, auch wenn bis dahin durchaus "vieles klar" sein könne. "Es gibt viele Dinge zu berücksichtigen", sagt der SPD-Chef und schaut wie einer, der genau weiß, dass die Hauptlast dabei auf seinen eigenen Schultern liegen wird. Pfaffmann muss für die SPD den schwierigsten Übergang seit Jahrzehnten organisieren. Vom dominierenden Christian Ude, der für die große Mehrheit der Münchner schlechthin der ideale Oberbürgermeister ist, hin zu einem Nachfolger, von dem jeder weiß, dass er den Vergleich mit Ude fürs Erste nicht bestehen kann.

Schafft er es, hat Pfaffmann einen Platz im Geschichtsbuch der Münchner SPD sicher. Verliert die SPD dagegen das Rathaus, ist er der zweite SPD-Chef nach 1978, unter dem die Macht in München vergeigt worden ist. "Dann kann ich eigentlich nur auswandern", sagt Pfaffmann so leichthin, wie er es natürlich gar nicht meint. Die Macht für die SPD in München zu erhalten, "diese Frage bereitet mir schlaflose Nächte", gibt er zu.

Pfaffmanns Wunschvorstellung ist ein geordnetes Verfahren, das so plausibel klingt wie Politik in der Praxis, aber fast nie abläuft. Danach soll der Vorstand der Münchner SPD im Frühjahr 2011 über mögliche Kandidaten reden und den Ortsverbänden die Möglichkeit geben, mögliche Bewerber einzuladen. Danach, so der Masterplan des Vorsitzenden, könne der Vorstand "die Stimmung ausloten" und sich "auf einen Kandidaten einigen".

Muss der Nominierungsparteitag entscheiden?

Das klingt in der Theorie ganz einfach. Doch über wie viele Kandidaten soll der Vorstand eigentlich reden? Pfaffmanns Idealvorstellung wären zwei, dann könnte einer am Ende nobel verzichten. Dass Pfaffmann sich vorstellen kann, diese Rolle selber zu übernehmen, kleidet er in eine sehr umständliche Formulierung: Wenn ein Kandidat gefunden werde, "der anders heißt, und das kann begründet werden, dann bin ich der Letzte, der im Wege steht". Es gehe um "die beste Lösung", nicht um persönliche Eitelkeiten, beteuert der SPD-Chef.

Was aber, wenn mehrere Kandidaten im Rennen sind, die keineswegs alle zugunsten des chancenreichsten Bewerbers verzichten wollen? Dann müsste der Nominierungsparteitag entscheiden. Das würde bedeuten, dass der SPD-Bewerber mehr oder weniger beschädigt ins Rennen geht, je nachdem wie groß die Mehrheit ist, die er erringt.

Noch unkalkulierbarer wäre, die etwa 5500 Münchner SPD-Mitglieder den OB-Kandidaten per Urwahl bestimmen zu lassen. "Kann sein", sagt Pfaffmann über die Möglichkeit einer Mitgliederbefragung und macht gleich deutlich, was er darüber denkt: "Das würde ich für gefährlich halten." Denn dann wäre die SPD monatelang nur mit sich selbst beschäftigt, den Bewerbern stünde eine endlose Tingeltour durch die Basis bevor.

Die nächste Hürde

Die nächste Hürde ist der Oberbürgermeister. "Ich möchte, dass Christian Ude nach Abschluss des Procedere seine Meinung sagt." Der SPD-Chef weiß selber, dass dies ein frommer Wunsch ist. Denn natürlich wird Ude nicht erst sagen, wen er sich wünscht, wenn alles vorbei ist. Die Kunst wird darin bestehen, dass Ude seinen Wunschnachfolger so geschickt benennt, dass die Partei das auch für ihren eigenen Wunsch hält. "Die SPD wäre gut beraten, wenn sie den Rat Udes sehr, sehr ernst nimmt", sagt Pfaffmann. Sein Unterton sagt: Andernfalls kann man den Wahlkampf gleich ganz vergessen.

Und dann müssen ja auch noch die anderen Aspiranten so elegant wie möglich zur Räson gebracht werden. Dass Ude sich Reiter wünscht, scheint festzustehen, von seinem einstigen Wunschkandidaten Julian Nida-Rümelin ist er offenbar längst abgerückt. Zu viele in der SPD haben inzwischen den Eindruck gewonnen, der weltläufige Professor verzehre sich nicht unbedingt danach, OB von München zu werden.

Schwieriger dürfte es schon werden, dem ehrgeizigen Fraktionschef Alexander Reissl eine Kandidatur auszureden. Reissl wolle unbedingt, heißt es. Doch der oft griesgrämig wirkende Reissl gilt auch in den eigenen Reihen, vorsichtig ausgedrückt, nicht gerade als Stimmungskanone, mit der sich die Herzen der Wähler gewinnen lassen.

Der Weg ist das Ziel, heißt es oft. Im Falle der Münchner SPD steckt der Weg voller Gefahren, und es ist nicht ausgeschlossen, dass die Partei den Fehler von 1978 wiederholt, also auf SPD pur besteht, statt einen Kandidaten zu küren, der auch im Revier der Konkurrenz wildern kann. "Wenn das passiert", sagt Pfaffmann, "gehören wir der Katz."

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