Süddeutsche Zeitung

Neuer Kiosk:Freiraum mit Spielregeln

In der Nähe des Grünwalder Stadions, auf dem Grünspitz, betreibt ein junges Team nun einen Kiosk, der sich in die Philosophie dieses Bürgertreffs einfügen will. Es herrscht nicht einmal Zwang zum Konsumieren

Von Hubert Grundner

Spielregeln sind gut, Spielregeln sind wichtig. Gerade Menschen, die in der Nachbarschaft des Grünwalder Stadions leben, dürften das aus eigener Erfahrung bejahen. Gilt doch an manchen Fußball-Spieltagen der "Löwen" der Ausnahmezustand im ansonsten eher beschaulichen Viertel auf Giesings Höhen. Vielleicht ist es deshalb eine gute Idee, auf welche Sebastian Erlenmaier, Nadja van Mark und Max Hautzinger gekommen sind: Die Betreiber des Kiosks auf dem Grünspitz, der in diesen Tagen den Betrieb aufnimmt, wollen Flyer an ihre Gäste verteilen, die ihnen ebenfalls "Spielregeln" nahebringen sollen: "Freundlich sein", "Müll vermeiden und entsorgen", "Hunde bitte an die Leine" und nicht zuletzt "Ab 22 Uhr besondere Rücksicht auf die Nachbarschaft" steht darauf zu lesen.

"Wir betreiben das Altgiesing", stellt der gebürtige Giesinger Sebastian Erlenmaier sich und seine Mitstreiter vor. Er selbst kennt den Grünspitz noch aus der Zeit, als ein "Autodantler" seine Blechkarossen auf dem Grundstück mit den alten Ahornbäumen aufgereiht hat. Die Rolle als Kioskbetreiber hat ihnen Green City angetragen, die Umweltschutzorganisation bespielt das Areal im Auftrag der Stadt. Wobei das Grünspitz-Projekt wiederum Teil des Förderprogramms Soziale Stadt ist. Jedenfalls war der Weg vom "Altgiesing", das gleich ums Eck an der Tegernseer Straße liegt, nicht weit bis zum Kiosk. "Und jetzt wollen wir's probieren", sagt Erlenmaier.

Wobei das Team augenblicklich noch herauszufinden versucht: Was geht beziehungsweise was geht besser in den zwei Holzpavillons, von TU-Studenten errichtetet, in denen der Kiosk und Gästetische untergebracht sind? "Die ersten Probetage waren schon ganz cool." Entsprechend hoffnungsfroh ist Erlenmaier für das Gastro-Projekt auf dem Grünspitz gestimmt. Voraussichtlich bis Ostern wird der Kiosk nur am Wochenende betrieben, dann aber will das junge Team durchstarten: "Bei gutem Wetter werden wir sieben Tage die Woche offen haben", verspricht Erlenmaier. Jeweils von 11 bis maximal 22 Uhr können sich dann Kunden hier mit Essen und Trinken versorgen, es soll eine kleine Speisekarte geben. Auch über den Winter soll der Kiosk nicht komplett geschlossen sein. Wobei man dann aber eher zu einzelnen Events, beispielsweise in der Adventszeit, den Laden wieder aufsperren würde.

Bis zu diesem Punkt dürfte sich der Kiosk nicht viel von anderen Kiosken in der Stadt unterscheiden. Worin er dies aber sehr wohl tut ist: Es besteht für seine Gäste "kein Kommerzzwang", so Erlenmaier. Wenngleich er sich über zahlende Kundschaft freut, denn schließlich ist das Projekt - angefangen bei Personalkosten über die Ausstattung des Kioskcafés bis hin zu den notwendigen Toiletten - mit Investitionen verbunden, die erst einmal verdient sein wollen. Trotzdem gelte: "Wir wünschen uns eine eher familiäre Atmosphäre, jeder ist willkommen."

Überhaupt sei ihr Gastro-Konzept an den Grundgedanken des Grünspitz' als eines Treffpunkts für das ganze Viertel angelehnt. "Jede Bevölkerungsgruppe soll hier weiterhin ihren Platz haben", sagt Erlenmaier. Wobei sich der Kiosk seinerseits in die "Philosophie" einfügen will, die von Green City auf dem Grünspitz als einem Zentrum gemeinschaftlicher Aktivitäten verfolgt wird. Dem will das Team nicht zuletzt durch ein nachhaltiges und qualitativ hochwertiges Angebot gerecht werden.

Wobei sich die "Altgiesinger" durchaus bewusst sind, dass ihnen gerade die direkten Nachbarn ganz genau auf die Finger schauen werden. Schließlich habe es nicht nur Befürworter, sondern auch Gegner des Kiosk-Projektes gegeben. Erlenmaier weiß das, wie er sagt, zum Beispiel aus ersten Gesprächen mit Passanten, die ihm - meist ziemlich unverblümt - ihre Meinung kundgetan haben. Wobei die Stimmung keineswegs generell ablehnend ist: Wie vor Kurzem im örtlichen Bezirksausschuss zu erleben war, stehen Green City, Planungsreferat und Lokalpolitiker dem Vorhaben sehr wohlwollend gegenüber. Aber auch viele Bürger, so glaubt Erlenmaier, würden sich inzwischen auf den Kiosk freuen und gespannt verfolgen, was dort passiere. Für weitere Akzeptanz will er dadurch sorgen, dass im Kiosk hauptsächlich Festangestellte arbeiten, die zugleich als verlässliche Ansprechpartner für die Nachbarn bereitstehen sollen, falls es doch einmal Konflikte gibt.

Ob das Konzept funktioniert, werden die Giesinger in den nächsten zwei Jahren beobachten können. Auf diesen Zeitraum ist der Pachtvertrag für den Kiosk befristet. Denn Ende 2020 läuft die Städtebauförderung aus; Green City wird sich dann von der Fläche zurückziehen. Wie es danach weitergeht, ist noch ungeklärt. Allerdings gibt es Aussagen von Vertretern des Planungsreferats, die sich so verstehen lassen, dass man den Grünspitz als öffentlichen Raum und in jetziger Funktion erhalten will. Für das Team vom Kiosk könnte also eine weitere Saison folgen - falls sich alle an die "Spielregeln" halten, sollte das kein Problem sein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4358899
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 08.03.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.