Neue TU-Außenstelle:Der Lange Herrmann  zu Heilbronn

Neue TU-Außenstelle: Die TU München hat am Donnerstag ihren neuen Campus in Heilbronn eingeweiht.

Die TU München hat am Donnerstag ihren neuen Campus in Heilbronn eingeweiht.

(Foto: Jürgen Häffner)

Die TU eröffnet ihre baden-württembergische Außenstelle mit einem Festakt, bei dem prominente Unternehmer Weißwurst-Pralinen essen. Kritik am Millionenvertrag mit der Schwarz-Stiftung weist die Universität zurück

Von Stefan Mayr, Heilbronn

Der TUM-Turm zu Heilbronn ist 50 Meter hoch. Die neun verklinkerten Stockwerke glänzen in Elfenbein-Beige, man könnte die neue Außenstelle der Technischen Universität (TU) München also mit Fug und Recht Elfenbeinturm nennen. Doch das Gebäude hat zwei andere Spitznamen, die TU-Präsident Wolfgang Herrmann noch besser gefallen: Langer Wolfgang respektive Langer Herrmann.

Am Donnerstag legte Herrmann eine weiß-blau gestreifte Krawatte und die goldene Präsidenten-Kette an, dermaßen geschmückt nahm er den symbolischen Schlüssel für das neue Hochhaus entgegen. "Das ist wahrscheinlich der größte Kraftakt in der deutschen Hochschulgeschichte", frohlockte Herrmann bei seiner Festrede in der Aula des Heilbronner Bildungs-Campus.

Es ist wahrlich ein ungewöhnliches Projekt, das da im 300 Autokilometer entfernten Städtchen im Norden Baden-Württembergs gefeiert wurde: Die Dieter-Schwarz-Stiftung des vermutlich reichsten Mannes Deutschlands stiftet der TU München 20 Lehrstühle für Betriebswirtschaft, von denen 13 in Heilbronn angesiedelt werden. Diese 20 Lehrstühle sind laut Herrmann "personell und infrastrukturell bestens ausgestattet" und werden von Schwarz für mindestens 30 Jahre finanziert. So etwas habe es in Deutschland noch nie gegeben. Wie viel Geld der Chef der Supermarktketten Lidl und Kaufland in das Projekt steckt, ist geheim. Experten schätzen die Summe auf 300 Millionen Euro.

Noch sind die Professoren-Stellen nicht besetzt, dennoch hat der TU-Campus Heilbronn bereits seinen Betrieb aufgenommen mit den Masterstudiengängen "Management" und "Management & Innovation". Während Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel (SPD) von einem Glücksfall für die Region spricht, gibt es auch Kritik an dem Konstrukt: Die Großspende könne die Unabhängigkeit der Wissenschaft gefährden, vor allem wenn die Stiftung Einfluss auf die Besetzung von Stellen und die Themen der Forschung nähme. Einen ähnlichen Fall gab es kürzlich an der Universität Mainz: Dort hatte sich die Boehringer-Ingelheim-Stiftung durch eine Millionen-Spende Mitspracherechte an der staatlichen Hochschule gesichert.

Dass ähnliches auch an der TU droht, steht im Raum, denn die Hochschule weigert sich, den Vertrag mit der Schwarz-Stiftung offenzulegen. Von diesem Vorgehen sind auch hochrangige Wissenschaftler nicht begeistert. Zum Beispiel Wolfram Ressel, Rektor der Universität Stuttgart und Präsident der Allianz TU9, in der sich die neun führenden Technischen Universitäten Deutschlands zusammengeschlossen haben: "Bei Drittmitteln von privater Seite bedarf es einer besonderen Sensibilität", sagte er angesichts des Falles von Mainz. Ressel begrüßt zwar die Kooperationen von Wirtschaft und Wissenschaft, "aber die Unabhängigkeit der Hochschulen und die Transparenz der Kooperationen müssen dabei stets Prämissen sein". Das sind zwar diplomatisch formulierte, aber für einen Rektoren-Kollegen doch ungewöhnlich deutliche Worte.

Die hochschulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Münchner Landtag, Verena Osgyan, formuliert es noch klarer: Die Schwarz-Stiftung bringe "das ganze Gefüge der Fakultät in Schieflage", sagt sie, weil fast die Hälfte aller Lehrstühle künftig privat finanziert seien. Osgyan spricht von einem "Präzedenzfall", gegen den sie vorgehen will. Ihre bisherigen Versuche, Einblick in die Verträge der öffentlich-rechtlichen Institution TU zu bekommen, seien allesamt gescheitert, da es in Bayern im Gegensatz zu anderen Bundesländern keine Verpflichtung zur Veröffentlichung gebe. "Da klafft eine große Lücke im Hochschulgesetz", sagt sie. Doch der Antrag der Grünen auf Änderung des Gesetzes wurde im Landtag abgelehnt. Osgyan will nun weitere juristische Mittel prüfen, um die Offenlegung zu erreichen. "Eventuell werden wir klagen."

TU-Präsident Herrmannn weist die Kritik an der Kooperation zurück. Der Stifter habe das Geld "ohne jede Auflage" gespendet, "nur mit dem Wunsch, dass wir ordentliche Arbeit machen".

Herrmann genoss es, am Rande des Festaktes namhaften Unternehmern die Hand zu schütteln. SAP-Mitgründer Dietmar Hopp war da, Reinhold Würth vom Würth-Konzern war da, und der Spender Dieter Schwarz war ebenfalls da. Vertreter des baden-württembergischen Wissenschaftsministeriums wurden dagegen - bemerkenswerterweise - nicht begrüßt. Der bayerische Staatsminister Bernd Sibler (CSU) ließ es sich seinerseits nicht nehmen, per Videobotschaft einen süffisanten Kommentar zu Herrmanns Millionen-Coup zu übermitteln: Es sei "schon spannend", dass das baden-württembergische Hochschulrecht dieses Konstrukt zulasse, ätzte er und sagte: "Vielen Dank dafür." Gelächter im Saal, zufriedenes Schmunzeln bei Wolfgang Herrmann. Beim anschließenden Empfang wurden keine Maultaschen gereicht, sondern Weißwurst-Pralinen an Kartoffelsalat und Mini-Brezln.

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