Neue Tricks:Tatort Geldautomat

150 Laimer Postbankkunden um insgesamt 300.000 Euro erleichtert: Mit neuen perfiden Tricks spionieren Betrüger Daten von EC-Karten aus und räumen die Konten leer.

Susi Wimmer

Die Tatsache, dass sie mit ihrer EC-Karte am Bankomaten in Italien kein Geld bekam, konnte den Urlaub von Elisabeth Lang zunächst nicht trüben. Doch zuhause in München wartete die böse Überraschung: Die Karte funktionierte nicht, weil Unbekannte das Konto der Münchnerin komplett leergeräumt hatten. Und zwar mit einer neuen und besonders perfiden Methode: Die Täter hatten die Zugangsanlage zum Vorraum der Postbankfiliale am Laimer Platz manipuliert, um die Daten von der EC-Karte abzugreifen.

Neue Tricks: Perfide Technik: Täter montieren echt aussehende Tastaturen.

Perfide Technik: Täter montieren echt aussehende Tastaturen.

(Foto: Foto: LKA)

Drinnen am Bankomaten filmten sie dann mit einer verstecken Kamera die Eingabe der Pin-Nummer. Rund 150 Kunden der Filiale gingen den Tätern in die Falle, ingesamt erbeuteten sie etwa 300.000 Euro. Selbst die Polizei räumt ein, dass die Opfer "keine Chance" gehabt hätten, die Manipulation zu erkennen. Die Banken gehen deshalb nun dazu über, die Türen zu den EC-Automaten im Vorraum offen zu lassen.

Kriminaloberrat Eduard Liedgens vom Landeskriminalamt ist schon lange im Geschäft: Bereits 1972 fing er im Sachgebiet "Falschgeld" an; eine Zeit, in der Geldautomaten noch unbekannt waren. Liedgens jagte "nur" die "Blüten"-Produzenten. Erst in den letzten Jahren kamen die neuen Techniken und Maschen der Gauner. "Vor fünf Jahren", erinnert sich Liedgens, "schraubten die Täter noch wuchtige Aufsätze auf die Bankomaten." Oder sie stülpten plump gemachte Karteneinzugsschächte über die bestehenden. Längst Schnee von gestern.

Heute sind die Täter so versiert, dass beispielsweise Pin-Nummern beim Eintippen in die manipulierte Tastatur direkt per Mobilfunk an die Fälscherwerkstätten übertragen werden. Und die Betrügereien am Bankomaten boomen: 2007 waren es deutschlandweit rund 1400 Fälle, in diesem Jahr registrierte man bereits 1600 Angriffe auf Automaten und Daten. Im aktuellen Fall, in dem das LKA bei der Postbank am Laimer Platz ermittelt, hatten die Täter an anderen Postbanken einfach die Zugangsgeräte abgeschraubt.

Also jene Kästchen, in die der Kunde seine Karte steckt, um außerhalb der Geschäftszeiten die Türe zum Vorraum der Bank zu öffnen. Diese Kästchen präparierten die Täter so, dass sie die Daten der Kundenkarten speicherten konnten. Dann fuhren sie zu anderen Postbank-Filialen, schraubten dort das normale Gerät ab und das manipulierte an. "Auf diese Weise war es nicht einmal den Angestellten möglich, die Manipulation zu erkennen", sagt Liedgens.

Tatort Geldautomat

150 Kundendaten griffen die Täter mit dem manipulierten Lesegerät ab und filmten die Eingabe der Pin-Nummern am Bankomaten. Solche Videoleisten lassen sich laut LKA unbemerkt am Automaten befestigen. Erst nach 14 Tagen flog alles auf, weil immer mehr Kunden sich über ihr leergeräumtes Konto beschwerten. Zwischenzeitlich hatten die Täter längst die Kontodaten auf so genannte "white plastics" - also Kartenrohlinge - gedruckt und von ausländischen Bankomaten aus die Konten geplündert. "Bei einem deutschen Automaten funktionieren die 'white plastics' nicht", sagt Eduard Liedgens.

Die Bank zahlt

Etwa 30 Fälscher haben Liedgens und seine Truppe in diesem Jahr schon hinter Gitter gebracht. Hauptsächlich stammen sie aus Rumänien. Zu der Frage nach dem Grund hat Liedgens seine eigene Theorie: "Das Land wird momentan vom Westen überrollt", sagt er. Große Konzerne siedeln sich dort an, ein Wirtschaftsraum entsteht, in dem die rumänischen Fachkräfte aber mit rund 200 Euro im Monat abgespeist werden. "Auf der Täterseite ist weit mehr zu verdienen - und so können einige der Verlockung nicht widerstehen."

Diese Fachkräfte ersinnen Techniken und Tricks, perfektionieren ihre Maschen so, dass sie kaum noch durchschaubar sind. Die Täter sichern sich sogar dahingehend ab, dass nicht einmal ihre eigenen Leute, die die Geräte abmontieren und nach Rumänien bringen, in Versuchung kommen, die Daten zu missbrauchen. "Selbst wenn die Monteure mit den Aufsatzgeräten festgenommen werden, könnte man sie auf einer normalen Polizeidienststelle nicht entschlüsseln", sagt Liedgens.

Trotzdem: Auch diese Täter hinterlassen elektronische Spuren. Und die Gegenseite ist mittlerweile so gut vernetzt, dass Polizei, Staatsanwaltschaft und Notenbanken länderübergreifend ermitteln. Auch die Banken reagieren: An vielen Bankomaten sind Warnhinweise angebracht und Sparkassen wie auch Postbanken haben die Türzugangsanlagen deaktiviert. Das heißt, die Türen zu den Vorräumen bleiben auch nachts offen. "Und selbstverständlich erstattet die Bank den Kunden das gestohlene Geld zurück", sagt Postbank-Sprecher Ralf Palm. Zu jährlichen Schadenssummen allerdings will er sich nicht äußern.

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