Neue Straßenbahnlinie:Tram-Projekt auf Lehm gebaut

Mit so viel Lehm hatten sie nicht gerechnet: Beim Bau der Straßenbahnlinie nach St. Emmeram kämpfen die Ingenieure mit dem weichen Boden.

Marco Völklein

Wild sieht es aus, dieses Durcheinander aus einem guten Dutzend Farben, kleinen und großen Kästchen, einer Zeitachse - und einer neuen Tramstrecke. Ganz oben auf seinem Ablaufplan hat Anton Gotz die neue Trasse eingezeichnet, 4,3 Kilometer lang, mit neun neuen Haltestellen, vom Effnerplatz durch die Englschalkinger und die Cosimastraße bis zur geplanten Wendeschleife an der Oberföhringer Straße.

Straßenbahn in München, 2010

Bis die Tram nach St. Emmeram fahren kann, wird noch mindestens ein Jahr vergehen. Derzeit wird an vielen Stellen der neuen Linie gearbeitet.

(Foto: Robert Haas)

Derzeit bauen die Stadtwerke im Nordosten Münchens eines ihrer wichtigsten Schienenprojekte für die nächsten Jahre. Im Herbst 2011 soll die Tram nach St. Emmeram fahren. Der Bau läuft derzeit weitgehend nach Plan.

Das kann sich aber auch schnell wieder ändern, sagt Projektmanager Gotz. "Bauen ist nämlich keine Industrieproduktion, bei der alles einmal geplant und dann tausendfach wiederholt wird." Gerade auf Großprojekte wirken viele Einflüsse ein: Das Wetter, der Boden, der Verkehr.

Und wenn es irgendwo hakt, wegen Schneefalls oder Dauerregens nicht gebaut werden kann, muss Gotz überlegen, wie das Problem gelöst werden kann, welche Arbeiten er an anderen Stellen vorziehen kann, damit der Zeitplan nicht allzu sehr in Verzug kommt. Dann schiebt er auf seiner Bauübersicht die bunten Kästchen hin und her und weist die Baufirmen entsprechend an.

Daher gleicht die über vier Kilometer lange Baustelle derzeit auch eher einem Flickenteppich als einem stringent durchgeplanten Projekt. An einer Stelle liegen bereits die Gleise und Spezialfirmen sind damit beschäftigt, die Schienenstränge miteinander zu verschweißen. An einer anderen Stelle heben Bagger gerade erst den Boden aus.

An wieder einer anderen Stelle verlagern Arbeiter Rohre oder Kabel um ein paar Meter nach links oder rechts, die dem Gleisbett im Weg liegen. "Damit wir bei Wartungsarbeiten oder Störungen nicht den Trambetrieb anhalten müssen", sagt Gunnar Heipp, der Projektleiter bei den Stadtwerken.

Eines der vielen Probleme, mit denen sich Gotz und Heipp herumschlagen müssen, ist der Boden. Im Münchner Nordosten besteht er zu großen Teilen aus Lehm. Bis ins vergangene Jahrhundert hinein existierten dort noch zahlreiche Ziegeleien, die Baustoff für die boomende Stadt produzierten - den liebten die Bauleute. Als Bauuntergrund dagegen hassen Bauingenieure Lehm.

Der Boden bietet kaum festen Halt: Arbeiter müssen den Untergrund an vielen Stellen erst mit Kies verdichten, um die Trambahntrasse darauf verlegen zu können. An der geplanten Wendeschleife an der Oberföhringer Straße stießen die Bagger zuletzt auf "Lehmlinsen", wie der Fachmann sagt, also bis zu 1,50 Meter tiefe Stellen mit Lehm. Damit hatten die Bauingenieure nicht gerechnet. "Das bringt uns dort eine Verzögerung bis ins nächste Jahr", sagt Heipp. Auch am Effnerplatz müssen die Gleisbauer zunächst warten, bis das Baureferat die neue Großskulptur Mae West aufgebaut haben. Das Betonfundament ist dort bereits gegossen.

Die Musterhaltestelle muss zu den Pflastersteinen passen

Dafür ging es an anderer Stelle schneller voran: In weiten Teilen der Englschalkinger Straße zum Beispiel liegen bereits die Schienen. "An dieser Stelle sind wir weit vor unserem Plan", sagt Heipp. Bis zum Jahresende, so schätzen die beiden Projektverantwortlichen, werden gut 90 Prozent der Gleise liegen. Danach rücken die Straßenbauer an und setzen Randsteine neu, asphaltieren die zuletzt aufgebrochenen Straßen, pflastern die Haltestellen und montieren die Wartehäuschen.

Dort, wo die Lohengrinstraße auf die Cosimastraße trifft, richten die Stadtwerke eine Musterhaltestelle ein, mit Wartehäuschen, Bäumen, Sitzbank und Mülleimer. "Damit wir sehen können, ob alles passt wie bestellt", sagt Heipp. Und auch, ob der Asphalt die richtige Farbe hat und die Pflastersteine zum Gesamtbild passen. "Erst wenn die Musterhaltestelle von uns abgenommen wurde, werden die anderen Haltestellen eingerichtet", sagt Heipp. Sollte etwas nicht stimmen, muss der Lieferant somit nicht an sämtlichen Haltstellen nacharbeiten.

Welche Tramlinie künftig vom Effnerplatz nach St. Emmeram fährt, ob die 17er oder die 18er, ist derzeit noch offen. Klar ist aber: Die MVG-Planer werden nach der St.-Emmeram-Strecke weitere Projekte angehen. Die Westtangente vom Romanplatz durch die Fürstenrieder Straße bis zur Aidenbachstraße ist bereits in der Planung.

Und ein Schienenstrang durch den Englischen Garten und die Franz-Joseph-Straße bis zum Elisabethplatz würde die St.-Emmeram-Strecke gut ergänzen: Auf dem "Nordtangente" genannten Abschnitt könnten Fahrgäste vom Nordosten der Stadt in den Westen gelangen, ohne zunächst in die Innenstadt fahren zu müssen. Sollte die Stadt dieses Projekt eines Tages realisieren, werden auch Gotz und Heipp wieder mitmischen - samt der bunten Kästchen.

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