Neue Musik:Katzenjammer

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"Exotika: Exkursion Alpin" bei der Adevantgarde

Von Rita Argauer, München

Der Westen muss seine Geschichte aufarbeiten. Da ist viel Schlimmes geschehen. Imperialistisches Handeln und kulturelles Ausbeuten führten zu Terror und Krieg. Doch was macht man mit grandiosen Stücken wie Mauricio Kagels "Exotica"? Das schrieb der vor 50 Jahren im Auftrag der Olympischen Spiele in München. Er benutzte dabei nur außereuropäische Instrumente. Die Musiker spielten diese, obwohl sie eigentlich nicht wussten wie man sie spielt. Das kann man als übergriffig sehen. Das hat aber auch etwas sehr schönes, weil Kagel die Überlegenheit der abendländischen Musik in Frage stellt.

Bei der Adevantgarde hegte man schon länger die Idee, dieses Stück neu zu beleben, wie Moritz Eggert zu Beginn des Konzerts "Exotika: Exkursion Alpin" erzählt. Man habe überlegt, koreanische Musiker einzuladen, um Kagels Partitur auf alpenländischen Instrumenten zu spielen. Das klappte nicht, deshalb spielen jetzt Münchner Musiker wie Salome Kammer oder Eggert selbst auf diesen Instrumenten. Einzige Prämisse: Jeder musste sich ein Instrument aussuchen, das er eigentlich überhaupt nicht spielen kann.

Und so jaulen, klimpern und grunzen sechs Instrumentalisten los auf unter anderem Tuba, Glöckchen, Flöte, Kontrabass, Hackbrett und Alphorn - ohne Scham und ohne Kontrolle der erlernten Technik, zwischen Jodel, Stubenmusik und Katzenjammer in der Blackbox im Gasteig. Die Lautmalerei hat Witz und zieht die Musiker bisweilen selbst in Lächerliche, was genau die Katharsis ist, die man bezüglich der Fehler der Vergangenheit heute künstlerisch suchen kann. Ein paar Ungereimtheiten gibt es trotzdem: Etwa singt Salome Kammer die Laute höchst professionell, denn experimenteller Gesang ist genau ihr Metier. Das Gefälle, das da zu den anderen entsteht, stört in der Theorie etwas. In der Praxis klingt die Musik gerade hier jedoch sehr einnehmend schön und hilft über die Stellen hinweg, in denen der individuelle Forscherdrang an den neuen Instrumente ein bisschen ziellos wird.

© SZ vom 14.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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