Süddeutsche Zeitung

Neue Heimat:Zwiefach tanzen, doppelt sehen?

Auch in der Heimat unseres Kolumnisten wird zu Volksmusik getanzt. Statt Bier wird in Syrien allerdings Tee serviert - und es gibt noch andere Besonderheiten.

Kolumne von Mohamad Alkhalaf

Beim Tanzen gibt es mehrere Faktoren, von denen der wichtigste die Motivation ist. Die Frage ist, wie man diese Mischung aus Mut und Spaß erreichen kann, die auf einem Tanzboden erforderlich ist. Seit ich in Bayern lebe, habe ich einige neue Ansätze kennen gelernt. Vielen Bayern ist beim Tanzen vor allem die Vorbereitung wichtig. Ein Tagesordnungspunkt, bei dem ein wichtiges Grundnahrungsmittel zum Einsatz kommt.

Anders gesagt: Bevor so mancher das Tanzbein schwingt, bereitet er sich intensiv vor. Man muss nur mal im Münchner Hofbräuhaus vorbeischauen. Dort trifft man dann sehr interessant gekleidete Menschen, zum Beispiel einen Mann mit einem sauber gekämmten Bart, Trachtenhut samt Gamsbart - und mit einer Charivarikette an der Lederhose. Ein Musteroutfit für den bayerischen Volkstanz. Das allein reicht aber in aller Regel nicht.

Unter den bunten Motiven des Deckengewölbes im Hofbräuhaus empfängt einen bayerische Blasmusi, dazu gibt's Schweinsbraten, Knödel und: Bier - wahlweise im Masskrug oder als Halbe. Manche schütten sich den Inhalt in wenigen Zügen in die Kehle, offenbar haben sie es eilig. Da ich jedoch kein Bier trinke, machte ich einen Selbstversuch: Wie tanzt es sich hier, ohne die klassische Vorbereitung der Einheimischen?

Zum Tanzen geht es etwas weiter nach oben, hinauf in einen Saal. Es waren sehr viele Tänzer auf der Tanzfläche - und mit meinem temperamentvollen Tanz behinderte ich wohl einige Tänzer. Vielleicht hätte ich doch ein Glas Bier zur Adaption trinken sollen? Ich wollte schon wieder gehen, da rief mich eine Frau mit Mikrofon zurück auf die Tanzfläche.

Und dann ging es dahin:

"In München steht ein Hofbräuhaus // Oans, zwoa, g'suffa ... // Da läuft so manches Fäßchen aus // Oans, zwoa, g'suffa ... // Da hat so mancher brave Mann // Oans, zwoa, g'suffa ... // Gezeigt was er so vertragen kann // Oans, zwoa, g'suffa ..."

Wer in Syrien bis drei zählt, sagt am Ende "thlath". In München sagt man hingegen "g'suffa". Wahrscheinlich würden die Münchner sich nur schwer mit dem großen Landhaus meiner Heimatstadt Rakka arrangieren, wo man essen, trinken und zu syrischer Volksmusik tanzen kann. Statt Bier wird dort Tee serviert, alkoholfrei, was dort niemanden stört. Auch dort wird Tracht getragen, auch dort tragen die Frauen lange Gewänder. Nur dass sie nicht zusammen mit den Männer schuhplatteln, sondern nach Geschlechtern getrennt tanzen.

In diesem Punkt sind sie in Syrien ziemlich intolerant - anders als mein Magen: Gestärkt mit einem Rinderbraten und einer Mass Alkoholfreiem stürzte ich mich wieder in die Menge.

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Quelle:
SZ vom 22.03.2019
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