Neue Heimat:Tankstelle sei Dank

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Benzin ist nur eines der Angebote an den Tankstellen im Freistaat. (Foto: Robert Haas)

Sie sind Aufladestationen für Tank, Telefon und Magen zugleich. Und Tankstellen funktionieren ganz ohne Korruption und Streit, sehr zur Verwunderung unseres Kolumnisten aus Nigeria.

Kolumne von Olaleye Akintola

Dieser Moment, wenn man spät am Abend noch einen wichtigen Anruf tätigen muss - und dann geht das Handy nicht mehr: Guthaben verbraucht. So können echte Dramen entstehen. Doch die Rettung war nur fünf Gehminuten entfernt. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich bereits, dass es hier in Ebersberg eine Tankstelle gibt, die bis spätnachts offen hat. So bekam ich diese kleine Plastikkarte mit der Nummer zum Freirubbeln. Tankstelle sei Dank.

"Benzin ins Auto, Cola in den Kofferraum." Dieser Werbeslogan einer Tankstelle in München liest sich wie eine Aufforderung. Und ich verfiel ihr, obwohl mein Besuch in der Tankstelle dadurch teurer wurde. Gar nicht so leicht, da zu widerstehen. Weil Tankstellen in Bayern viel mehr sind als nur eine Energiequelle für Autos. Münchner Tankstellen sind Aufladestationen für Tank, Telefon und Magen zugleich. Wenn alle Läden, Restaurants und Kneipen geschlossen haben, gibt es immer noch die Tankstelle, wo man eine Butterbreze und ein Bier bekommt. 24 Stunden am Tag.

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Sparschweine findet man in München an fast jeder Theke. Doch warum nimmt man vermeintlich schmutzige Schweine als Gehäuse für etwas Wertvolles, fragt sich unser Autor aus Nigeria.

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Deswegen sind Münchens Tankstellenwärter so etwas wie die Engel der städtischen Nacht. Auf sie ist immer Verlass. Kein schmieriger Assistent, der beim Benzinzapfen schummelt, und niemand wird ausgeraubt. Und das Benzin? Servieren sie in Bayern à la carte, wie in einem Selbstbedienungsrestaurant: Der Fahrer kann ganz entspannt zur Zapfsäule hinfahren, zapfen so viel er will, dann muss er nur noch zur Kasse gehen und bezahlen. Und sich bei Bedarf noch mit einer Leberkässemmel stärken. So ganz nebenbei. Ein wahrer Genuss.

Der Zugang zu Benzin ist in Bayern "no big deal". Wer in Nigeria aufgewachsen ist, für den ist das ein deutlich zentraleres Thema. Die Wirtschaft des Landes stützt sich hauptsächlich auf Öl, leider werden damit viele Gaunereien betrieben. Als einer der weltweit größten Ölproduzenten hat Nigeria so viele Probleme - zum Beispiel wenn militante Aktivisten Ölleitungen zerstören. Und dann die Korruptionsskandale, bei denen auch ausländische Firmen eine Rolle spielen.

Aus dieser Gemengelage ergibt sich, dass Benzin in Nigeria zu exorbitant hohen Preisen verkauft wird - was den Transport von Waren und Gütern behindert. Und die Menschen in ihrem Alltag: auf den Straßen und in ihren Häusern. Weil viele Haushalte keine gesicherte Stromzufuhr haben, müssen sie ihn selbst erzeugen - mit Generatoren, die sie mit Benzin betreiben.

Umso erstaunlicher, dass Länder wie Deutschland, die selbst kein Öl produzieren, einen solch funktionierenden Benzinmarkt haben. Wo der Preis vergleichsweise stabil ist. Klar, wahrscheinlich wird der Literpreis in Bayern zum Ende der großen Ferien wieder steigen - dennoch ist es für viele hier nicht wirklich ein Problem, sich das zu leisten. Die allerwenigsten dürften hier auf Benzin vom Schwarzmarkt angewiesen sein. Falls es hier überhaupt einen Schwarzmarkt dafür gibt. Kaum einer dürfte Benzin containerweise im Keller bunkern - eine illegale und gefährliche Praxis in Nigeria. In München ist es jedenfalls eine deutlich größere Herausforderung, einen Parkplatz zu finden, als Benzin in ein Auto zu füllen.

Übersetzung aus dem Englischen: Korbinian Eisenberger

© SZ vom 07.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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