Neue Heimat:Sparen, bis der Hammer kommt

Neue Heimat: In München begegnet einem das Porzellan-Schwein überall.

In München begegnet einem das Porzellan-Schwein überall.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Sparschweine findet man in München an fast jeder Theke. Doch warum nimmt man vermeintlich schmutzige Schweine als Gehäuse für etwas Wertvolles, fragt sich unser Autor aus Nigeria.

Kolumne von Olaleye Akintola

An fast jeder Rezeption in Bayern steht ein Schwein auf dem Tisch. Die meisten schauen wohlgenährt aus, sie haben große Hintern und einen dicken Bauch. Es handelt sich stets um eigenartig ruhige Exemplare von einem Schwein: kein Gegrunze, kein Suhlen im Matsch. Schwer zu sagen, ob es sich dabei um eine Sau oder einen Keiler handelt. Die einzigen möglichen Hinweise: Ihr Körper ist unbehaart und hat einen Schlitz in der Mitte.

In München begegnet es einem überall: das Sparschwein. In Hotels, in Büroküchen, im Getränkemarkt. Ob Männlein oder Weiblein - ungewöhnlich ist das Ganze allemal. Das Schwein gilt ja in vielen Ländern als schmutziges Wesen an dreckigen Orten. So ist das auch in Bayern. Man sagt ja Saukerl nicht aus Zuneigung. Warum also nehmen sie Schweine als Gehäuse für etwas Wertvolles? Wäre es nicht besser, einen Hund zu nehmen? Ein Tier, dass in manchen Münchner Haushalten drinnen wohnt und fast einen Status genießt wie ein Mensch.

"Werfe keine Perlen vor die Säue" ist ein Sprichwort, das es im Englischen wie im Deutschen gibt. So gesehen ist es doch verwunderlich, dass gerade dieses Tier zum Sinnbild der deutschen Sparsamkeit geworden ist. Man soll dem Schwein also keinen Schmuck hinwerfen, aber Geldstücke. Vielleicht gibt es hier ja doch eine Art Zuneigung zum Schwein? Eine, die über die Vertilgung der Sau in Form von Schweinsbraten, Haxn und Weißwurst hinausgeht?

Wer einige Zeit in München gewohnt hat, der kriegt mit, dass Kleingeld in der Tasche durchaus Vorteile hat. Anders als in Nigeria, wo Münzen kaum mehr einen Wert haben - dort werfen die Menschen es nur noch den Bettlern auf der Straße zu. Sparschweine stehen dort kaum rum, viel üblicher ist es, einem Rezeptionisten, Kellner oder Security gleich zu Beginn einen Schein in die Hand zu drücken. Als eine Form der Vorab-Motivation. Man sieht das dort nicht als Bestechung, eher als Wässerung des Bodens. Im heißen Nigeria bedeutet das: Man bestellt das Feld, statt auf Wasser von oben zu hoffen.

In München ist das umgekehrt. Was durchaus erstaunlich ist, weil: Wer nach einem Service Geld in Sparschweine wirft, der kann die Qualität nicht mehr beeinflussen. Die Frage ist, was die Leute dazu antreibt, trotzdem freiwillig Münzen einzuwerfen. Ist es eine Form, die eigene Opulenz zu demonstrieren? Oder der Drang nach Wohltätigkeit? Wobei das eine das andere ja nicht ausschließt.

Vielleicht steckt ja doch mehr dahinter, wenn die Leute in der Arztpraxis oder beim Kaufladen Geld ins Sparschwein werfen. Vielleicht ist es eine Art vergoldeter Handschlag. Eine Form von Feedback, das zeigt, dass der Kunde mit der Leistung zufrieden war. Finanzielles Schulterklopfen für die Menschen, die zwar vorne an der Rezeption sitzen, aber finanziell eher in hinteren Regionen zu finden sind. Ihnen sei es vergönnt, wenn sie das Sparschwein am Ende schlachten.

Neue Heimat - Der andere Blick auf München
Vier Flüchtlinge, die in ihrer Heimat als Journalisten gearbeitet haben. Nach dem Porträt werden sie regelmäßig eine Kolumne schreiben. Fotografiert auf der Brücke im SZ-Hochhaus.

Der Autor: Olaleye Akintola stammt aus Nigeria. Bis zu seiner Flucht 2014 arbeitete er dort für eine überregionale Tageszeitung. Nun lebt er in Ebersberg.

Die Serie: Zusammen mit drei anderen Flüchtlingen schreibt Akintola für die SZ eine Kolumne darüber, wie es sich in Deutschland lebt und wie sie die Deutschen erlebt. Alle Folgen finden Sie auf dieser Seite. Hintergründe zu unseren Kolumnisten finden Sie hier.

Übersetzung aus dem Englischen: Korbinian Eisenberger

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