Manchmal wirft einem die deutsche Sprache besonders schwere Brocken hin. Zum Beispiel den Begriff "Schneeballschlacht". Ein Wort mit 18 Buchstaben. Wenn man gerade dabei ist, diese Sprache zu lernen, kann die Auseinandersetzung mit solchen Wörtern buchstäblich ein wahrer Kampf sein.
Schnee ist der faszinierende Wortteil, ist er doch von kalter geheimnisvoller Natur. Der Ball erinnert sogleich an Kindheit und Spiel, und an meine Arbeit als Sportlehrer an der Montessorischule - da freuen sich die Kinder, wenn ich Bälle mitbringe, außer wenn es Medizinbälle sind. Und dann das dicke Ende: die Schlacht. Ein Begriff aus dem Kriegsjargon. Dieses Wort erschreckte meine Gedanken. Warum und wie kämpfen sie mit Schnee? Schießen sie mit einem Gewehr auf Schneefiguren? Oder laden sie ihre Fernwaffen mit großen Eiskugeln?
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Zwar kommt unser Kolumnist aus Syrien schon ganz gut mit der deutschen Sprache zurecht. Dennoch hält sie verlässlich Fallstricke für ihn bereit.
Schon verrückt, was die Erinnerung im Kopf bisweilen auslöst. Nach fast drei Jahren, in denen ich nun in Kirchseeon südöstlich von München wohne, weiß ich, worum es sich bei einer Schneeballschlacht eigentlich handelt - auch, dass sich die Verletzungsgefahr in Grenzen hält. Damals allerdings war ich stark irritiert. Da war diese Facebook-Einladung zu einer Schneeballschlacht im Englischen Garten. Warum ziehen sogar sehr gute Freunde von mir gemeinsam in eine Schlacht? Wo ich sie doch alle fast schon als Pazifisten eingeschätzt hätte.
Die Konsequenz: Ich musste da hin, um es mir anzuschauen. Im Englischen Garten hört man dann vereinzelte Schlachtrufe, und schon kommen einem Kämpfer mit entschlossenen Gesichtern entgegen - glücklicherweise nicht blutig, sondern nass und in aller Regel von Schneebällen gezeichnet. Beim ersten Mal fühlte sich das alles fremd an - und vor allem sehr kalt. In meiner Heimatstadt Rakka gab es wenig Schnee. Die Kinder bewerfen sich stattdessen mit nassen Erdklumpen, was bei einem Treffer ziemlich schmerzt, weswegen die syrischen Erdwerfer sehr gute Reflexe haben.
Die Forschungsfrage war also, wie sich ein Schneeball anfühlt. Bei meiner ersten Schneeballschlacht stand ein Mädchen vor mir, lächelte mich an wie ein Engelchen. Auf einmal aber holte sie hinter ihrem Rücken ihre Munition hervor und traf mich beim Wegducken im Nacken. Es tat nicht wirklich weh. Wären da nicht die Folgeerscheinungen. Die sind bei Schneebällen deutlich ärger als bei Erdklumpen. Man wird zwar nicht dreckig, dafür läuft das Wasser in die Kleidung und lässt einen von innen frieren. Erst nach einigen Minuten wurde mir klar, welch perfidem Angriff ich zum Opfer fiel.
Und so kam ich an einem Wintertag im Januar 2019 wieder. Diesmal vorbereitet in Winterausrüstung: eine Jacke samt Kapuze, dazu dicke Handschuhe. Damit warf ich mich in die Schlacht und entdeckte gleich einen passenden Gegner. Einer, der sich einen BVB-Schal umgebunden hatte. Jetzt konnte ich ihm zeigen, was ein wahrer Bayer ist. Stattdessen aber musste ich gehörig einstecken. Die Dortmunder zielen in diesen Zeiten leider arg genau. Ich suchte Deckung hinter einem Baum, doch der war zu dünn. Ein arabisches Sprichwort sagt: Der Elefant versteckt sich hinter der Ameise. Das passte hier haargenau. Ich war von Gegnern umzingelt und ergab mich mit erhobenen Händen. Da lachten die anderen. Die Schlacht war geschlagen. Wie schön, dass die Kämpfe in dieser Schneewelt nicht auf dem Feld enden, sondern mit einer Tasse Tee vor dem Ofen.