Neue Heimat:Verreisen? Nicht ohne meine Papiere!

Pass-Kontrolle am Flughafen
(Foto: Marius Becker/dpa)

Die deutsche Bürokratie ist manchmal unnachgiebig. Das musste auch unsere Kolumnistin feststellen, als sie mit ihrer kleinen Tochter nach London wollte.

Kolumne von Lillian Ikulumet

Wenn eine alleinerziehende Mama mit ihren Kindern verreist, muss sie vieles bedenken, damit der Urlaub nicht zum Fiasko wird. In einem Land, wo die Bürokratie oft logisches Denken überlagert, wird es dann besonders kompliziert. Deutschland ist so ein Land - und München und sein Flughafen sind definitiv sehr deutsch.

Einige Wochen ist es her, als ich dort an der Passkontrolle stand. Ich wollte nach London, Freunde besuchen. Ich kam mit meinem Baby erstaunlich pünktlich am Terminal an und stellte mich erstaunlich artig in die Schlange für die Passkontrolle. Als wir an der Reihe waren, gab ich dem Beamten unsere Pässe. Er nahm sie und runzelte die Stirn. Er sah zu uns auf, dann wieder zu unseren Pässen und wieder zu uns und wiederholte diesen Vorgang noch ein paar Mal. Keine große Sache, dachte ich, ich habe diese Prüfung erwartet.

"Papiere, bitte", sagte er dann. Ich sah ihn verwirrt an, weil er unsere Pässe ja in seiner Hand hielt. Und für mich als geflüchtete Zuwanderin bedeutet Papiere in erster Linie Pass - oder eben Aufenthaltsgenehmigung. "Papiere, bitte!" Ich solle ihm eine Berechtigung vorlegen, mit diesem Kind reisen zu dürfen. Eine Regelung, von der ich noch nie etwas gehört hatte. Man braucht eine Erlaubnis, um mit seinem eigenen Kind zu verreisen? Wieder so ein Moment, in dem einem bewusst wird, dass man sich nicht mehr in Afrika befindet.

Ich stand also an der Passkontrolle, meine kleine Thalia in der einen Hand, Zettel, Tasche und Koffer in der anderen - und kam nicht voran. Der Mann fragte mich, ob ich eine Bestätigung vom Vater hätte oder ob ich das Sorgerecht für das Kind hatte. Ich war zwar im Besitz einer behördliche Sorgerechtsbestätigung für meine Tochter. Doch die lag zu diesem Zeitpunkt irgendwo in meiner Wohnung. Und ohne dieses Beweisstück konnte ich nicht in den Flieger. Um das Problem zu lösen, bat ich eine Freundin per Handy, in meine Wohnung zu eilen, um mir eine Foto des Dokuments zu mailen. Ich wollte diesen Flug keinesfalls verpassen, die Fluggesellschaft rief schon meinen Namen aus.

In Uganda wäre mir diese Stresssituation erspart geblieben. Dort geht es mit derlei Dokumenten deutlich entspannter zu. Wer ein Kind dabei hat, dem gehört es auch, so einfach ist das. Dies würde keiner hinterfragen, vor allem kein Passkontrolleur am Flughafen - sonst könnte in Uganda kaum mehr eine Familie in ein Flugzeug steigen. Der Vorteil der deutschen Praxis ist, dass man so Kinderschmuggel vorbeugt. Der Nachteil ist, dass ich an diesem Tag in München meinen Flug verpasst habe.

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Neue Heimat - Der andere Blick auf München
Vier Flüchtlinge, die in ihrer Heimat als Journalisten gearbeitet haben. Nach dem Porträt werden sie regelmäßig eine Kolumne schreiben. Fotografiert auf der Brücke im SZ-Hochhaus.

Die Autorin: Lillian Ikulumet, 36, stammt aus Uganda. Bis 2010 arbeitete sie dort für mehrere Zeitungen, ehe sie flüchtete. Seit fünf Jahren lebt Ikulumet in München.

Die Serie: Zusammen mit drei anderen Flüchtlingen schreibt Ikulumet für die SZ eine Kolumne darüber, wie es sich in Deutschland lebt und wie sie die Deutschen erlebt. Alle Folgen finden Sie auf dieser Seite...

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