Neue Heimat:Es geht um die Wurst

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Hat die Weißwurst Ohren? Das muss sich unsere Kolumnistin fragen. (Foto: Robert Haas)

In Deutschland gibt es eine Vielfalt an Würsten, die sich in ihrem Heimatland niemand vorstellen könnte, schreibt unsere Kolumnistin aus Uganda. Unter anderem hat sie gelernt: Weißwürste grillt man nicht.

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Wenn ich in München an der Wursttheke stehe, werde ich künftig immer diese eine entscheidende Frage stellen: Sind diese Würste eigentlich zum Grillen geeignet? Schließlich haben gerade die Wochen begonnen, wo die Leute an die Isar sprinten, als wäre mein jamaikanischer Bruder Usain Bolt mit einer Grillzange hinter ihnen her. Wenn man dann am Grill steht und der Grillmeister fragt, welches Stück man denn gerne hätte, dann empfiehlt es sich zu sagen: "Mir is' wurscht, Hauptsache es schmeckt".

Ganz so wurscht ist es aber nicht immer, wenn es um die Wurst geht. Als ich hier in München zum ersten Mal Freunde zu einer Barbecue-Party eingeladen habe, da ging das ziemlich schief. Ich hatte für alle Würste besorgt, meine Gäste hatten sich also logischerweise auf mich verlassen. Bei meiner Wurstwahl hätte ich aber nicht weiter daneben liegen können: Kaum auf dem Grill, platzten die Würstl auf und spritzten die Leute voll. Wie ärgerlich, das viele Geld, die armen Gäste - und Weißwürste. Ich hatte gerade meine Lektion gelernt, dass man deutsche Würste nicht zwangsläufig grillt - manche werden nur in Wasser gekocht.

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Tatsächlich hatte ich vorher noch nie ein Land besucht, mit so einer riesigen Auswahl an Wurstsorten mit so vielen Zubereitungsarten. So vielseitig und facettenreich das Land Bayern von verschiedenen Nationalitäten und Migranten bewohnt ist, so divers ist auch die Wurstauswahl: Wiener, Frankfurter, Regensburger, Berner, Nürnberger. Kernbeißer aus Tirol, Knackwürste aus Krakau, Krainer aus Slowenien, Räucherwürste aus Tschechien, Sucuk aus der Türkei, Salsiccia aus der Lombardei.

Bei all der Vielfalt sind die Herstellerländer auch ein Stück weit Wurstpatrioten. Vor allem in Bayern, und insbesondere in München. Bei der Weißwurst nehmen sich die Münchner heraus, dass sie sie nur vor 12 Uhr servieren. Die bayerische Weißwurst darf das Mittagsläuten nicht hören, heißt es bekanntlich. Für einen Fremden macht diese Regel erst einmal überhaupt keinen Sinn, alleine schon, weil eine Weißwurst keine Ohren hat.

Eigentlich schneiden sich die Münchner Weißwurstverkäufer dadurch ins eigene Fleisch, sie könnten sicher mehr verkaufen, meinen Informationen nach schmeckt eine Wurst zu jeder Tageszeit gleich. Nur gut, dass die Thüringer da flexibler sind - ihre Rostbratwurst bekommt man auch am Nachmittag und spät am Abend noch serviert.

Würste, die eigentlich gar keine sind

In Thüringen haben sie ein eigenes Bratwurstmuseum. In Uganda, wo ich herkomme, kennen wir hingegen nur zwei Arten von Würsten: Schweinswürste und Fleischwürste. Die Würste sind immer gleich groß und geformt, sie unterscheiden sich eigentlich nur in Farbe und Geschmack. Kein Vergleich zur Auswahl in Münchner Supermärkten, wo man Lamm-, Hühner-, Leber- und sogar Blutwurst bekommt. Und - das war für mich fast schon wieder ein Schock - es gibt auch Würste, die zwar so aussehen, aber gar keine Wurst drin ist. Auf die Veggiewurst könnte die Menschheit sicherlich gut verzichten.

Nun lebe ich seit einigen Jahren in München und glaube sagen zu können, dass ich den richtigen Umgang mit den hiesigen Würsten gelernt habe. Ich habe schon lange keine Brühwurst mehr auf einen Grillrost gelegt und mir keinen Rüffel mehr beim Wirt eingeholt, wegen den Weißwürsten, die in Bayern doch Ohren zu haben scheinen. Jetzt ist Sommer, da werden ohnehin meist Grillwürstl verzehrt. Das Isarufer ist das goldene Wurstparadies der Griller. Und wer die Weißwurst von der Bratwurst unterscheiden kann, der ist hier in München schon mal auf dem richtigen Weg.

Übersetzung aus dem Englischen: Korbinian Eisenberger

© SZ vom 16.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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