Neue Heimat:Die Münchner gehen leichtfertig mit ihrer Gesundheit um

Lesezeit: 2 min

Vor allem, wenn es um einen One-Night-Stand geht, hat unsere Kolumnistin aus Uganda festgestellt. Allerdings: Kondome sind so teuer, dass man meinen könnte, sie seien mit Blattgold ummantelt.

Kolumne von Lillian Ikulumet

Wer nach leichtgläubigen Menschen sucht, der wird in München fündig. Es ist manchmal ganz einfach, die Münchner zu überzeugen, auch bei sensiblen Fragen des Lebens. Seitdem ich in München wohne, ist mir nur ganz selten diese Frage begegnet, die in meiner früheren Heimat Uganda fast schon Standard ist, wenn man sich mit potenziellen Bewerbern unterhält: Hast du HIV? Diese Frage fällt dann irgendwann. In München kann das zwar auch vorkommen - nur dass dort meist eine einfache Antwort reicht. Man sagt "nein" - und damit ist der Fall erledigt.

Klar, man kann behaupten, dass man gesundes Blut hat. Aber wer weiß es wirklich so genau? Viele Frauen afrikanischer Herkunft, die ich hier treffe, wundern sich, wie wenig sorgsam die Menschen in München mit diesem Thema umgehen. In Uganda würde das als naiv, ja als dumm angesehen, jemandem zu glauben, wenn er die HIV-Frage einfach mit einem Nein beantwortet. In Bayern wirkt es auf mich oft so, als würden die Einheimischen Aids auf die leichte Schulter nehmen.

Neue Heimat
:Beim Thema Liebe wird in Deutschland wenig Abwechslung gepflegt

Unser Kolumnist aus Nigeria fragt sich, warum. In seiner Heimat hat sich Polygamie vor langer Zeit etabliert.

Kolumne von Olaleye Akintola

Hier heißt es: Alles gut, wir können loslegen. Viele Afrikaner würden so eine Antwort nicht als belastbare Absicherung akzeptieren. Wenn man eine feste Beziehung eingehen möchte, ist es in vielen Teilen des Landes üblich, vorher einen HIV-Test zu machen. Soll es hingegen ein One-Night-Stand sein, findet man überall zu jeder Tages- und Nachtzeit Kondome, in jeder kleinen Pension. In Hotelzimmern liegen Kondome gratis in der Kommode bereit, und wenn der Vorrat verbraucht ist, bekommt man Nachschub an der Rezeption. Und wer das Vergnügen zu Hause ausleben will, der kann sich bei Kondom-Händlern bedienen, die vor den Kneipen und Nachtklubs warten.

Wo ich herkomme, sind Kondome mit die billigsten Waren überhaupt, so gut wie jeder kann sie sich leisten. In München ist das ganz anders, die Preise sind so hoch, dass man meinen könnte, die Gummis sind mit Blattgold ummantelt. Fast kommt es mir so vor, als wolle man geschützten Geschlechtsverkehr verhindern. Als seien Geschlechtskrankheiten keine Gefahr für die breite einheimische Masse, nur für Zuwanderer, oder vielleicht für Homosexuelle. Das stimmt aber nicht, da muss man nur mal beim Robert-Koch-Institut für Infektionskrankheiten nachfragen. Danach ist die Zahl der Neuinfektionen in Bayern alarmierend, in den vergangenen Jahren ist die Zahl der Betroffenen stark angestiegen.

Ich selbst habe anlässlich des Welt-Aids-Tags den Selbsttest bei einem deutschen Arzt gemacht. Obwohl ich mich mit schnell wechselnden Partnerschaften stets zurückgehalten habe und die Finger von Drogen lasse, verspürte ich heftiges Herzpochen. Zu meiner Überraschung nahm mir der Arzt Blut ab, ohne mich vorher zu beraten, ehe er mir erklärte, dass ich die Ergebnisse per E-Mail bekommen würde.

Ich war schockiert, dass man hier die Ergebnisse per E-Mail oder telefonisch erhalten konnte. In Uganda würde dies als unprofessionell und indiskret gelten, kaum eine andere Krankheit wird dort so sensibel gehandhabt wie HIV. Weil jeder weiß, dass es zum frühen Tod führt, wenn man nicht richtig behandelt wird.

Dann kam die E-Mail. Das Ergebnis war negativ, wie zu erwarten. Und doch war es gut, die Gewissheit zu haben, nichts in seinem Blut zu tragen, was andere in Gefahr bringt.

© SZ vom 01.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: