Neue Heimat:Diät auf Ugandisch: Dampfnudeln und Schweinebraten

Symbolfoto Essen in Bayern

Die bayerische Küche macht es unser Kolumnistin besonders schwer auf Essen zu verzichten.

(Foto: Günther Reger)

Hungern für eine schlanke Figur? Für unsere Kolumnistin aus Uganda ist das undenkbar. In ihrer Heimat sind Frauen stolz auf ihre Kurven.

Kolumne von Lillian Ikulumet

Ihr Schweiß läuft über die Wangen und tropft auf den Boden. Seit einer Woche hopsen die Münchner wieder besonders zahlreich durch die Fitnessstudios der Stadt. In den Muckibuden geht es in diesen Tagen zu wie in Bienenstöcken. An den Geräten sieht man zwar auch Männer, die Frauen haben aber ein klares Übergewicht - wobei man mit diesem Begriff vorsichtig sein muss, weil sich viele Münchnerinnen nach den Weihnachtsferien zu dick fühlen. Beim Yoga, Ballett, Zumba und auf Ergometern wollen sie dieses Gefühl des Dickseins jetzt wieder loswerden.

Die Frage ist, ob das Gefühl von innen kommt, oder ob es einem von außen vermittelt wird. Es ist schließlich kaum zu übersehen: In jedem Apotheken-Schaufenster, jeder Zeitschrift und jeder zweiten Fernsehwerbung präsentieren einem halb verhungerte Frauen Diät-Shakes, Diät-Suppen und Diät-Speisepläne. Im Rundfunk und am Kiosk bombardieren sie einen mit Anzeigen und Werbeclips, warum genau jetzt der Moment sei, wo alle abnehmen müssten. Man muss entweder ignorant sein, medienscheu oder sehr selbstbewusst, damit einem das am A . . . vorbeigeht - oder wie der Bayer sagt, an der Hutschnur.

Klar, die Weihnachtstage im Kreis der Familie sind nicht unbedingt für die schlanke Linie geeignet, für Training bleibt zwischen den Jahren nicht sonderlich viel Zeit. Wer den Fokus aufs Backen und Braten legt, dem kann es schon mal passieren, dass Pfunde hinzukommen. Was natürlich nicht nur an der Zubereitung der Speisen liegt, sondern auch daran, wenn man sich an deren Verzehr beteiligt. So oder so ähnlich erging es mir und vielen anderen Frauen, die sich in diesen Tagen ihre Röllchen wegtrainieren.

Dass ich mit Fitness anfing, lag aber nicht an mangelndem Selbstvertrauen, vielmehr fehlte es mir an Webstoff: Vor ein paar Tagen war ich auf dem Geburtstag einer Freundin eingeladen und konnte kaum ein passendes Kleid in meinem Schrank finden. Wenn einem das Lieblingskleid nicht mehr passt, dachte ich mir, dann ist das ein gerechtfertigter Anlass, um ein Fitnessstudio zu betreten. Dort empfängt einen dann ein fescher Mann, der es sich leisten könnte, zum Mittagessen einen Rosinenstollen am Stück zu verputzen. Ich machte eine Stunde lang alle Übungen mit, das Schwitzen tat gut - doch nach dem Sport kam das dicke Ende: Der Fitness-Trainer erklärte mir, dass sich die Hopserei nur dann lohnt, wenn man sich zusätzlich an einen speziellen Diätplan hält.

Ich bin ein toleranter Mensch, aber wenn es ums Essen geht, da hört für mich der Spaß auf. Und das liegt nicht nur an meinem kulturellen Hintergrund. Nicht nur daran, dass man eine Frau, die hier als dick gelten würde, in Uganda als gesund und schön ansehen würde. Die meisten afrikanischen Männer würden gertenschlanke Frauen, wie man sie hier in München sieht, gar nicht ansehen. Wo ich herkomme, ist Diät deshalb kaum ein Thema, auch nicht nach großen Festen. Aber München ist nicht Uganda.

Mein aktuelles Problem mit Diäten hat seinen Kern in der bayerischen Küche. Seit ich in Deutschland lebe, habe ich mich an vieles gewöhnt, und für manche Speisen habe ich eine besondere Zuneigung entwickelt: etwa für Schweinsbraten, Dampfnudeln und Weißbier. Und selbst wenn ich gerne einen Gewichtsverlust erzwingen wollte: Die Kombination aus afrikanischem Kurvenstolz und meiner kulinarischen Integration lässt erst recht keine Spielräume für eine Diät. Wenn es ums Hungern geht, beherzige ich deshalb den Rat meines Fitness-Trainers: Ich verzichte einfach darauf - und lasse es mir im Januar besonders gut schmecken.

Neue Heimat - Der andere Blick auf München
Vier Flüchtlinge, die in ihrer Heimat als Journalisten gearbeitet haben. Nach dem Porträt werden sie regelmäßig eine Kolumne schreiben. Fotografiert auf der Brücke im SZ-Hochhaus.

Die Autorin: Lillian Ikulumet, 36, stammt aus Uganda. Bis 2010 arbeitete sie dort für mehrere Zeitungen, ehe sie flüchtete. Seit fünf Jahren lebt Ikulumet in München.

Die Serie: Zusammen mit drei anderen Flüchtlingen schreibt Ikulumet für die SZ eine Kolumne darüber, wie es sich in Deutschland lebt und wie sie die Deutschen erlebt. Alle Folgen finden Sie auf dieser Seite...

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