Die wenigsten Männer haben das Glück, dass ihnen die Frauen scharenweise hinterherlaufen. In aller Regel muss Mann selbst aktiv werden. Das ist in Syrien nicht anders als hier in München: Es braucht eine Art Anmachspruch. Dafür gibt es Methoden: elegante und plumpe, lustige und vermeidbare. Syrische und deutsche. Spätestens hier drohen Missverständnisse.
In Syrien ist die Kontaktaufnahme mit einer Frau äußerst kompliziert. Als Mann will man ihr signalisieren: Du gefällst mir, ich möchte dich kennenlernen. Es muss aber so geschehen, dass nur sie, und niemand anders das mitbekommt. Etwa, indem man sich mit der Hand durch die Haare fährt oder ihr heimlich zuzwinkert, wenn sie herschaut. Bis das wirkt, kann es sich oft ganz schön hinziehen. Während meiner Studentenzeit in Raqqa hat es einmal drei Monate gedauert, ehe meine damalige Angebetete die Signale erkannte.
In Bayern ist die Signalwirkung auch interessant. Ich erinnere mich an eine Situation, in der ich in meinem Wohnort Kirchseeon mit Leuten in einem Café beisammensaß. Mir fiel dort eine junge Frau auf, die etwas von mir weg saß. Klar: Da wollte ich sie mit meiner exotischen Strategie beeindrucken. Also fuhr ich mir durch die Haare, und machte meine Augen-Bewegung. Und die Empfängerin erkannte schnell, dass ich sie meinte und sprach mich sogleich an. Sie fragte mich, ob ich ein Augenleiden und Läuse hätte. Ich wurde rot im Gesicht und schämte mich.
Woher soll man auch wissen, welche Anmachen bayerische Frauen gewöhnt sind. Als Journalist hätte ich vielleicht etwas Bescheuertes sagen sollen: Ich bin Autor, schreibe ein Telefonbuch und bräuchte dringend ihre Telefonnummer. Oder die makabere Variante: Als Syrer bin ich scharfe Granaten gewohnt, wie wär's mit uns? Ich wählte keine der beiden Strategien, sondern machte ihr Komplimente: "Du hast Augen, so schön wie von einem Rehkalb. Und dein Gesicht ist hell wie der Mond." Mond? Kalb? Ihre Augen verrieten: Sie hielt meine Worte für eine Beleidigung. Wie würde sie reagieren? Ohrfeige? Tadel? Weder noch. Sie lachte - und mir fiel ein Stein vom Herzen.
In Syrien könnte man nicht so von Angesicht zu Angesicht sprechen. Meine Paradelösung war deshalb ein Brief mit lieben Worten, den ich zu einem Ball knüllte und ans Fenster meiner Freundin warf. Wer so sozialisiert ist, muss sich nicht wundern, wenn er in Bayern beim Flirten scheitert. Noch dazu, wenn man den einheimischen Dialekt nicht beherrscht. Also suchte ich in Liebesbüchern und Zeitschriften danach, wie man hier mit einem Mädchen so sanft spricht, dass sie sich wohl fühlt wie ein Schmetterling auf einer Rose.
Doch ich fand nichts dergleichen. Denn mit Schmetterlingen und Rosen kommt man hier nicht weit, vor allem nicht auf dem Land. Dazu passt der Ratschlag meines Kumpels aus Kirchseeon. Der empfahl mir eine ganz andere Gesprächseröffnung - weniger blumig, aber auch nicht zu direkt. Ich solle an die Bar gehen und meiner Herzensdame ein alkoholisches Getränk in der Farbe ihres Kleides bestellen. Ein Einheimischer muss es ja wissen - also ging ich zielsicher an die Bar. Da tat sich das nächste Problem auf: Mein Pech war, dass sie an diesem Abend ein buntes Kleid trug. In meiner Not bestellte ich den Cocktail mit den meisten Zutaten. Spontan sein ist manchmal auch nicht schlecht. Es erwies sich als brillante Idee.