Neue Heimat:Dein Name ist dein Schicksal

Schule der Phantasie in Gräfelfing, 2015

Kindernamen stehen an der Wand der Schule der Phantasie in Gräfelfing.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Wie ein Passwort, so kommt unserem Kolumnisten aus Nigeria sein Name in Deutschland vor. In vielen Teilen Afrikas aber gilt: Du bist, wie du heißt.

Von Olaleye Akintola

Der Name ist das Eigentum seines Trägers, und trotzdem wird er meist von anderen benutzt. Mein Name wurde schon von so vielen Leuten ausgesprochen, lange Zeit hatte ich kaum Gründe, meinen Namen selbst zu nennen. Dann kam ich nach Bayern.

Hier ist der Name wie ein Passwort, ohne das man in den Büros und Institutionen dieses Landes nur schwer voran kommt. Unzählige Male wurde ich gebeten, zu erklären, was jetzt mein Vor-, und was der Nachname ist. Mir ist es unangenehm, wenn Einheimische meinen Namen total falsch aussprechen, und das passiert relativ oft. Man muss dazu sagen: Ich bin stolz auf meinen Namen - weil er für das steht, woher ich komme.

Man muss den Einheimischen natürlich zugestehen, dass afrikanische Namen für sie echte Zungenbrecher sein müssen, zumindest ist das wohl bei meinem Namen der Fall. Viele meiner afrikanischen Brüder, die hier in Deutschland leben, erleichtern den Hiesigen deshalb die Aussprache, indem sie einen Alias- oder Nicknamen angeben. Damit mein Name nicht so verhunzt wird, gebe ich bei Bekanntschaften der Einfachheit halber etwa manchmal den christlichen Namen "David" an, den kennt man auch hier in Oberbayern.

Das hat wiederum den Nachteil, dass einem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) im Interview Probleme bereiten kann, weil man mal anderen gegenüber einen anderen Namen angegeben hat, als der auf dem Pass. Klar, das liegt daran, dass sich manche Menschen bewusst als jemand anderes ausgeben. Die ihren echten Namen und ihre Herkunft verleugnen, aus welchen Gründen auch immer.

In Deutschland sind sich die meisten Menschen der Bedeutung eines Namens kaum bewusst, hier geht es eher um dessen Funktion. Egal wo, in der Klinik, auf der Polizeiwache, auf dem Landratsamt: Es wird nach dem Alter gefragt, und nach dem Namen. Der Name ist in Deutschland das Etikett, so wie beim Hund das Halsband. Hunde tragen in Deutschland ihr Halsband, und die Menschen hier sollten ihr Haus nicht ohne ihren Ausweis verlassen.

Die Bedeutung des Namens spielt kaum eine Rolle

Übersetzt man deutsche Nachnamen ins Englische, kommen oft lustige Wortgebilde heraus: Millers und Shoemakers, Stones, Birds und Mountains. Die kulturelle, religiöse oder historische Bedeutung des Namens spielt dabei jedoch meist keine Rolle. Die meisten meiner deutschen Freunde und Kollegen kennen die Hintergründe ihres Namens gar nicht.

In Deutschland gibt es den Satz: Du bist, was du isst. In vielen Teilen Afrikas gilt hingegen: Du bist, wie du heißt. Afrikanische Namen kommen nicht nur mit einer speziellen Aura daher, das mögen deutsche Namen womöglich auch leisten. Afrikanische Namen stehen oft für das Schicksal, das Väter und Mütter für ihre Neugeborenen erhoffen. Das ist der Grund, warum viele Kinder aus dem südwestlichen Teil Nigerias "Lucky", "Rich" oder "Fortune" heißen. Oft stehen nigerianische Namen auch für den Hintergrund ihrer Träger. Manche Kinder heißen wie der Berufsstand der Familie: "Hunter", "Drummer" oder "Farmer".

Wer den Namen eines Menschen kennt, weiß in Nigeria oft schon viel über einen Menschen. Manchmal sind die Rückschlüsse aber auch verkehrt. Genau wie in Deutschland, wo man manche Kindernamen mit gewissen Vorurteilen assoziiert. Wie man es auch dreht und wendet: Der Name ist immer stark subjektiv und nie das Produkt einer Wahl, die man selbst getroffen hat. Mein Name bedeutet Reichtum und Respekt. Ich hüte diesen Namen. Aber erst der Strom der Zeit wird zeigen, ob ich seiner Bedeutung gerecht wurde.

Übersetzung aus dem Englischen: Korbinian Eisenberger

Neue Heimat - Der andere Blick auf München
Vier Flüchtlinge, die in ihrer Heimat als Journalisten gearbeitet haben. Nach dem Porträt werden sie regelmäßig eine Kolumne schreiben. Fotografiert auf der Brücke im SZ-Hochhaus.

Der Autor: Olaleye Akintola stammt aus Nigeria. Bis zu seiner Flucht 2014 arbeitete er dort für eine überregionale Tageszeitung. Nun lebt er in Ebersberg.

Die Serie: Zusammen mit drei anderen Flüchtlingen schreibt Akintola für die SZ eine Kolumne darüber, wie es sich in Deutschland lebt und wie sie die Deutschen erlebt. Alle Folgen finden Sie auf dieser Seite. Hintergründe zu unseren Kolumnisten finden Sie hier.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: