Neue Heimat:Beim Thema Liebe wird in Deutschland wenig Abwechslung gepflegt

Abendstimmung an der Hackerbrücke in Mücnhen, 2015

Wo man hinblickt, sieht man in München zwei Menschen Hand in Hand.

(Foto: Robert Haas)

Unser Kolumnist aus Nigeria fragt sich, warum. In seiner Heimat hat sich Polygamie vor langer Zeit etabliert.

Kolumne von Olaleye Akintola

Sie hängen an den Münchner Brücken: versiegelte Vorhängeschlösser, befestigt am Geländer. Zwei Namen, meistens von einem Mann und einer Frau, sind eingraviert. Es soll signalisieren, dass sich zwei Menschen aneinander binden, dass sie miteinander durchs Leben gehen - und zwar zu zweit. Dass kein Platz ist für andere Partner, so sieht die Symbolkraft für mich aus.

Vielleicht haben die Liebesschlösser ja eine Art Voodoo-Funktion und versprechen eine lange Beziehung. Viele Münchner wünschen sich das offenbar, eine Zweisamkeit bis in den Tod. Wo man hinblickt, sieht man zwei Menschen Hand in Hand, am Bahnhof, im Lokal, im Supermarkt. Mir fällt das auf, denn ich bin anderes gewöhnt. Um es gleich zu betonen: nicht besser, sondern anders.

Ich lebe nun nicht mehr in Nigeria, doch die Erinnerung bleibt. Und ich frage mich, warum man hier in Deutschland beim Thema Liebe so wenig Abwechslung pflegt. In Nigeria haben viele Männer das Bild vor Augen, neben zwei schönen Frauen zu stehen, die zufrieden lächeln. Viele sagen dort spaßeshalber, man sei zu bequem, wenn man immer das gleiche Mahl verspeist, ohne Beilage oder Mischung. Das ist chauvinistisch, und die meisten sagen es in scherzhaftem Ton. Doch es steckt mehr Wahres darin, als viele zugeben.

In Deutschland habe ich Eheleute beobachtet, die glücklich wirkten, aber auch solche, bei denen irgendwann die Luft raus war. Auffällig ist, wie viele Ehen in diesem Land wieder geschieden werden und diese Trennungen Geld auf die Konten von Scheidungsanwälten spülen. Ein reichlich drastischer Schritt.

Warum sich nicht mal Pausen gönnen? Warum nicht mal Abwechslung? Man möge mir meine Worte verzeihen, stamme ich doch aus einer Familie, in der Vielehe ganz normal war. In Nigeria hat sich Polygamie vor langer Zeit etabliert. Es ist einseitig, ein Privileg der Männer. In Teilen des Landes bestimmt das Einkommen eines Mannes die Anzahl der Ehefrauen, die er sich leisten kann. Väter stacheln dann ihre Söhne an, sie mögen die eigene Leistung einmal überbieten.

Was man in Nigeria eher selten hört, ist Polyandrie, also die Vielehe mit mehreren Männern. Wird eine Frau dabei erwischt, kann es ihr schlecht ergehen. In München können sich hingegen verheiratete Frauen ganz bequem über Dating-Webseiten mit Männern verabreden. Polygamie läuft hier heimlich ab, ohne Verträge und Heirat. Das kann kompliziert sein, spart aber viel Geld.

Übersetzung aus dem Englischen: Korbinian Eisenberger

Vier Flüchtlinge, die in ihrer Heimat als Journalisten gearbeitet haben. Nach dem Porträt werden sie regelmäßig eine Kolumne schreiben. Fotografiert auf der Brücke im SZ-Hochhaus.

Olaleye Akintola stammt aus Nigeria. Bis zu seiner Flucht 2014 arbeitete er in Lagos für eine überregionale Tageszeitung. Seit zwei Jahren lebt er nun in Ebersberg.

(Foto: Florian Peljak)
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