Süddeutsche Zeitung

Neue Heimat:Warum das Ausgehen mit einem Baby schwierig ist

In Uganda, der Heimat unserer Autorin, werden Kinder überallhin mitgenommen. In München musste sie sich erst an neue Regeln gewöhnen.

Kolumne von Lillian Ikulumet

Ich bin immer noch überrascht, wie kinderfreundlich München sein kann. Mit seinen Spielplätzen und den vielen familienfreundlichen Restaurants - zumindest solange die Kleinen nicht wie wild herumlaufen. Das gibt den Eltern der Stadt eine schöne Auswahl, wie sie das Leben mit ihren Kleinen auch außerhalb der Wohnung zusammen verbringen können. Allerdings hat die Toleranz eine Grenze - und zwar dann, wenn die Sonne hinter den Dächern der Stadt verschwindet.

Bevor ich meine kleine Thalia bekam, war ich ein Mensch, der von Event zu Event hüpfte. Seit ich Mama bin, haben mich Liebe, Freude und Verantwortung für mein Baby überwältigt und das Leben zu einem Wandel geführt. Dies bedeutet auch, dass ich viele Abendveranstaltungen oder -einladungen auslasse, die ich vorher um keinen Preis verpasst hätte. Allerdings, auch das merke ich zunehmend: Gerade als Alleinerziehende ist es wichtig, dass man auch mal abends die Wohnung verlässt. Das ist für beide wichtig, denn meine Thalia merkt sofort, wenn ich mal wieder Nachtluft spüren muss. Und weil Babysitter rar sind, nehme ich meine Thalia logischerweise mit.

Weggehen mit Baby. Wo ich herkomme, ist das keine große Sache. In Uganda nehmen viele Mütter und Väter ihre Babys und Kinder mit in Lokale oder gar in Diskotheken. Es ist die Entscheidung der Eltern, wo man mit den Kleinen reingeht und wann. In München verhält es sich da ein bisschen anders.

Mein Ziel an diesem frühen Abend war die Muffathalle in der Stadt, wo eine Kunstausstellung, eine Poesieveranstaltung und Musikaufführungen auf uns warteten. Mit Kinderwagen kamen wir um kurz nach 17 Uhr an den hohen Eingangswänden der Muffathalle an. Ich kaufte meine Eintrittskarte an der Kasse und schob Thalia voll Vorfreude in Richtung Halleneingang. Und dann das: Ein Mann vom Sicherheitsdienst verweigerte uns den Zugang. Nicht unfreundlich, aber eindeutig. Sein Grund: Der Kinderwagen dürfe nicht in den Saal. Woraufhin eine Freundin, die inzwischen auch eingetroffen war, die Option eines Tragetuchs zur Sprache brachte. Da machte der Security deutlich: Es sei nicht nur der Kinderwagen, der nicht hinein sollte, sondern auch die Passagierin. "Erst ab sechs Jahren", sagte er - und so endete der Abend, noch bevor er begonnen hatte.

In Deutschland gibt es für alles Regeln und Gesetze - meistens auch aus gutem Grund, nicht umsonst fühlt man sich hier so sicher. In diesem Fall tat ich mich allerdings ziemlich schwer damit, hier den Vorteil des Regelwerks zu erkennen, was in einer Debatte mit dem Sicherheitspersonal mündete. Auf dem Rückweg dann hatte ich einen Aha-Moment.

Es war der Augenblick, als ich in Thalias Gesicht sah. Dort konnte ich keinerlei Zorn über die Abweisung an der Tür erkennen. Im Gegenteil: Sie lachte mich an. Als sei sie glücklich, dass das Gesetz ihr zartes Trommelfell vor lärmender Musik beschützt hat. Und so lachte ich mit ihr und wir zogen zu zweit durch die stille Münchner Nacht.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4387890
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 29.03.2019/vewo
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.