Süddeutsche Zeitung

Neue Frist:In der Warteschleife

Druck von Bürgern und Druck aus Berlin: Obwohl die Chancen auf Herausgabe des Grundstücks der griechischen Schule in Berg am Laim schlecht stehen, lassen Lokalpolitiker nicht locker. Der Stadtrat will aber weiter verhandeln

Von Heiner Effern und Renate Winkler-Schlang, Berg am Laim

München wird den Staat Griechenland vorerst nicht auf die Herausgabe des Grundstücks in Berg am Laim verklagen, auf dem dieser eine griechische Schule errichten will. Der Stadtrat will vielmehr weiter über den Bau eines gemeinsamen Schulhauses verhandeln. Den kleineren Teil soll die griechische Schule nützen, den größeren das angrenzende Michaeli-Gymnasium. Den entsprechenden Grund will die Stadt Griechenland nun per Erbbaurecht überlassen. Für die Verhandlungen setzte der Stadtrat rückwirkend wieder einmal eine Frist aus. Ursprünglich hätte die Stadt laut eigenem Beschluss schon am 1. Juli klagen müssen. Nun muss sie entsprechend vorgehen, wenn bis zum 31. März 2019 keine unterzeichneten Verträge vorliegen. So beschloss es der Stadtrat nach Informationen der Süddeutschen Zeitung am Mittwoch in nicht öffentlicher Sitzung. Dort hatte zuvor Robert Kulzer (SPD), der Vorsitzende des Bezirksausschusses Berg am Laim, den Ärger und den Frust der Lokalpolitik über die unendliche Geschichte der griechischen Schule vorgetragen. Nach dem Motto: Du hast keine Chance, aber nutze sie. Denn der Ältestenrat der Stadt hatte sich schon vor drei Wochen auf Vorschlag von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) darauf verständigt, weiter zu verhandeln. Das Gremium hatte auch bereits den Rahmen für die weiteren Gespräche festgelegt: Errichten soll das gemeinsame Gebäude an der Hachinger-Bach-Straße die Stadt. Die Kosten für den griechischen Teil müssen vorab auf einem Notarkonto gesichert hinterlegt sein. Das Raumprogramm sei gemeinsam abzustimmen. Das Gremium war sich bewusst, dass eine rasche Lösung auch auf diese Weise nicht zu erreichen sein wird. Allerdings verweist die Stadt intern auch darauf, dass eine jahrelange Klage über alle Instanzen ebenfalls viel Zeit kosten würde. Den Mitgliedern des Bezirksausschusses in Berg am Laim ist durchaus klar, dass vom Bundespräsidenten und früheren Außenminister Frank-Walter Steinmeier Druck auf den OB ausgeübt wird, der Republik Griechenland eine goldene Brücke zu bauen, obwohl sie auf die letzte in einer jahrelangen Reihe von verstrichenen Fristen erst im allerletzten Moment reagiert hat und offenbar wieder nichts Konkretes hatte vorweisen können.

Sie spüren aber schon lange und immer stärker den Verdruss ihrer Bürger. Diese fordern eigene Infrastruktur: Berg am Laim steht in puncto Kinderbetreuung unterdurchschnittlich da, das Michaeligymnasium platzt, obwohl schon erweitert, aus allen Nähten, und der FC Phönix, hinter der griechischen Rohbauruine gelegen, der hervorragende Jugendarbeit macht und seine Anlage dringend sanieren muss, wird von der Stadt seit Jahren hingehalten, weil seine Flächen irgendwie mit in der Verhandlungsmasse stecken. Weil Berg am Laim geradezu explodiert (bis 2035 ein Einwohnerzuwachs von 30,7 Prozent), gibt es nirgends mehr Ausweichflächen. Zudem haben die Lokalpolitiker selbst jedes Vertrauen in griechische Zusagen verloren: Warum sollte ausgerechnet die nächste halten? Der Stadtrat habe sich zuletzt für ein eigenständiges neues Gymnasium und ein Haus für Kinder an jener Stelle ausgesprochen - das brauche Berg am Laim auch.

Deshalb reagierte der BA mit einem offenen Brief an den Oberbürgermeister, unterzeichnet von allen Fraktionen und getragen vom Vorsitzenden des FC Phönix, Christian Toll, und der Leiterin des Michaeligymnasiums, Angelika Loders. Am Dienstagabend fasste das Gremium zudem den einstimmigen Beschluss, dass der Vorsitzende Robert Kulzer (SPD) Rederecht für die Stadtratssitzung am Mittwoch beantragen und den Stadträten ins Gewissen reden solle. Kulzer hatte dazu erklärt, er habe noch keinen Mandatsträger getroffen, der nicht im persönlichen Gespräch auf seiner Seite gewesen wäre. Und der Oberbürgermeister könne dem Druck aus Berlin auch nur so lange nachkommen, wie der Stadtrat sich da einspannen lasse. "Aber ich erwarte leider keine Wunder", so Kulzer am Dienstagabend vorausschauend.

Seine BA-Kollegen hatten ihm jedoch mit ihrem Ärger auf die Stadt den Rücken gestärkt. Von einem verheerenden Glaubwürdigkeitsverlust sprach Alexander Friedrich (SPD), von "pflichtwidrigem Handeln" der Stadt angesichts des eindeutigen Stadtratsbeschlusses auf ein Zurückholen des Grundstücks 2017 sprach CSU-Fraktionssprecher Fabian Ewald.

Die SPD-Fraktion im Stadtrat sieht die Not im Viertel und brachte deshalb am Mittwoch zwei Anträge ein. Der FC Phönix soll bis zum Jahresende ein Angebot bekommen, seine jetzt genutzten Grundstücke langfristig zu pachten oder auch im Erbbaurecht zu erhalten. Das gebe dem Verein die nötige Planungssicherheit, begründen die Sozialdemokraten den Antrag. In einem zweiten fordert die Fraktion die Verwaltung auf, schnellstmöglich ein Ersatzgrundstück für das Haus für Kinder zur Verfügung zu stellen und umgehend mit dem Bau zu beginnen. Eine Realisierung auf dem Grundstück der griechischen Schule sei nicht absehbar, das Viertel jedoch mit Betreuungsplätzen tatsächlich unterversorgt.

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Quelle:
SZ vom 26.07.2018
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