Neue Fraktion "Bürgerliche Mitte":Patchwork im Rathaus

Im Münchner Stadtrat könnte bald eine neue Fraktion vertreten sein: Freie Wähler, ÖDP und Bayernpartei möchten sich zur "Bürgerlichen Mitte" zusammenschließen - der unterschiedlichen politischen Ausrichtung zum Trotz.

Von Dominik Hutter und Silke Lode

Es ist ein durchaus ungewöhnlicher politischer Vorgang: Mitten in der Legislaturperiode könnte im Münchner Stadtrat bald eine neue Fraktion vertreten sein. Die fünf Stadträte der Freien Wähler, der ÖDP und der Bayernpartei wollen sich zur "Bürgerlichen Mitte" zusammentun.

Bei dem Schritt, der auch aufgrund der parteipolitischen Mischung überrascht, möchten die Politiker ihre Parteizugehörigkeit nicht aufgeben. Sollten die Stadträte das Vorhaben tatsächlich umsetzen, hätte dies vor allem finanzielle Vorteile: Ein Fraktionschef bekommt für seine Arbeit im Rathaus mindestens 4592 Euro, fast doppelt so viel wie ein normaler Stadtrat. Auch für einen Fraktionsvize sind die Bezüge mit 3459 Euro attraktiv. Zudem werden einer Fraktion zwei feste Mitarbeiter bezahlt.

Allerdings muss die Bürgerliche Mitte noch einige Hürden nehmen. Eine erste ist mit der Namensfindung bewältigt, ein gemeinsames Programm ist laut den Beteiligten fast fertig. Darüber hinaus müsste die Geschäftsordnung des Stadtrats geändert werden, denn bislang können nur Politiker einer Partei eine Fraktion bilden. Über Änderungen hat der Ältestenrat unlängst diskutiert - auch weil die FDP eine Fraktion bleiben will. Die Liberalen haben seit dem Wechsel von Otto Bertermann zu den Freien Wählern mit vier Stadträten einen Sitz zu wenig. Derzeit gilt: Eine Fraktion muss mindestens fünf Mitglieder haben.

SPD, Grüne und CSU sind offenbar gesprächsbereit. Das hat auch damit zu tun, dass die Bürgerliche Mitte sich bereit erklärt hat, auf Posten und Pöstchen zu verzichten. "Wir wollen, dass auch kleinere Gruppierungen mit guten Rechten und Arbeitsmöglichkeiten ausgestattet werden", sagt CSU-Fraktionschef Josef Schmid. Er kündigte die Zustimmung seiner Partei an. Eine Bedingung stellt Schmid allerdings: "Wir dürfen deshalb nicht in unseren Möglichkeiten beschnitten werden." Im Klartext heißt das: Plätze in Gremien will die CSU nicht für die kleinen Parteien räumen.

Johann Altmann (Freie Wähler), der sich für den Vorsitz der neuen Fraktion interessiert, will notfalls alle Mittel ausschöpfen, um ans Ziel zu kommen. Nach Aussage des früheren CSU-Mannes kann die bisher bestehende Ausschussgemeinschaft mit der ÖDP und der Bayernpartei nicht fortgesetzt werden. Ausschussgemeinschaften müssen mindestens drei Mitglieder haben - diese Größenordnung erreichen die Freien Wähler seit dem Übertritt Bertermanns auch ohne ihre Kollegen aus den anderen Parteien.

In der Folge, so warnt Altmann, könnten die zwei Stadträte von ÖDP und Bayernpartei künftig alleine dastehen - und würden aus den Fachausschüssen verbannt, in denen nur Fraktionen oder Ausschussgemeinschaften erlaubt sind. Im Münchner Stadtrat gibt es neben ÖDP und Bayernpartei nur noch einen anderen Einzelkämpfer: den Vertreter der rechtsradikalen Bürgerinitiative Ausländerstopp, die für eine Zusammenarbeit aber nicht in Frage kommt.

Altmann sieht, wie auch der in dieser Frage wohlwollende FDP-Stadtrat Michael Mattar, keine Probleme bei der Fraktionsbildung. Freie Wähler, ÖDP und Bayernpartei seien bei der Kommunalwahl 2008 zwar einzeln angetreten. Man habe aber damals schon eine Listenverbindung vereinbart, die nach dem damaligen Auszählungsverfahren Vorteile für kleinere Parteien bei der Sitzverteilung versprach. Das sei nicht viel anders als bei den Grünen und der Rosa Liste gewesen, so Mattar - und die arbeiten seit langem als Fraktion zusammen. Allerdings dürfte es bei Grünen und Rosa Liste weniger inhaltliche Unterschiede geben als in der Konstellation von Freien Wählern, Bayernpartei und ÖDP.

Bei SPD und Grünen ist die innerparteiliche Abstimmung noch nicht abgeschlossen. Die grüne Oberbürgermeister-Kandidatin Sabine Nallinger hält die Bildung der neuen Patchwork-Fraktion für juristisch "wesentlich schwieriger" als den Wunsch der FDP, eine Fraktion zu bleiben. Auch SPD-Fraktionschef Alexander Reissl weist darauf hin, dass eine Fraktion eigentlich über einen gemeinsamen Wahlvorschlag ins Rathaus kommen muss. "Das ist der massive Unterschied zur FDP." Die Entscheidung soll am 2. Mai in der Vollversammlung des Stadtrats fallen.

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