Neue Cafés in der Maxvorstadt:Erlebniswelt und Edelpommes

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Ob Concept Store mit Mode-Boutique oder Pommes-Boutique mit Minigolf - normal sind die neuen Szenecafés der Maxvorstadt nicht. Dafür trendig.

A. Goebel

Als Yi-qing Chen vor mehr als 20 Jahren nach München kam, hatte er Glück. Er mochte Leberkäs'. "Meine Lieblingsspeise!", sagt der hagere Mann mit Brille. Das entspricht wahrscheinlich mehr den Regeln fernöstlicher Höflichkeit als der Wahrheit. Aber Tatsache ist, dass Herr Chen aus Shanghai als Student der Germanisitik in den 80er Jahren wohl kaum um die eine oder andere Leberkässemmel herumkam. Wer außerhalb der Mensa bezahlbar essen wollte, ging in die Metzgerei. Oder ins "Atzinger", die legendäre Große-Portionen-Kneipe.

Auch hier steckt ein Konzept dahinter: die Pommes Boutique. (Foto: Foto: Robert Haas)

Seither ist das Angebot an Restaurants im Unibezirk ständig gewachsen, vor allem in jüngster Zeit kommen immer wieder neue Cafés und Speiselokale dazu - Herr Chen sieht es, bei aller Liebe zur bayerischen Kost, mit Freuden. Wie viele Chinesen versteht sich der Inhaber des "Antiquariats an der Uni" in der Theresienstraße als Feinschmecker, passenderweise liegt gerade eine Ausgabe von Lu Wenfus köstlichem Roman "Der Gourmet" neben der Kasse, und Yi-qing Chen sagt, die Studenten seien heute kulinarisch viel anspruchsvoller als zu seiner Zeit.

Neue Vielfalt in der Nachbarschaft

Asiatisches, Italienisches, kleine Lokale mit täglich wechselnder Karte, ihm gefällt die neue Vielfalt in der Nachbarschaft. Allerdings habe es auch schon Opfer gegeben, ausgerechnet in seiner Branche. Wo sich früher zwei Antiquariate befunden hätten, seien heute ein Obstgeschäft und ein Schnellrestaurant für Vitaminreiches untergebracht.

Die Gastronomie im Univiertel im Wandel - vielleicht gehört zu dieser Entwicklung auch, dass es keine klaren Strukturen mehr gibt. Jerome Weber glaubte, als er im Frühjahr 2008 seinen "Laden" in der Türkenstraße eröffnete, er sei nun Betreiber eines Studentenlokals. So sah es das Konzept vor: Café und Mittagstisch, frisch Gekochtes, akzeptable Preise, entspannte Inneneinrichtung mit Würfelhockern und nackten Glühbirnen.

Und es funktionierte ja auch von Anfang an, aber nicht mit Studenten. Jedenfalls machen die nur einen Teil der Klientel aus, die mittags Linguine mit Wirsing speist oder zum Kaffee vor einem Teller mit hausgemachtem Schokoladenkuchen sitzt. Wochentags Angestellte im Anzug aus den umliegenden Büros, die Hunger und eine kurze Mittagspause haben, am Wochenende Leute aus der Maxvorstadt, die durch ihr Viertel schlendern - Jerome Weber, ausgebildeter Restaurantfachmann und im "Laden" mit Pfannen jonglierend anzutreffen, freut sich über die buntgemischten Gäste.

Mode an Metallketten

Und er hat auf die unerwartete Kundschaft reagiert: Anfangs habe er das Lokal sonntags geschlossen, heute sei das sein stärkster Tag, woran der nahegelegene Besuchermagnet Museum Brandhorst einigen Anteil hat. Viele Gäste werden auch über Webers "Ape" aufmerksam, sein dreirädriges italienisches Gefährt mit Firmenlogo und echtem Baum auf der Ladefläche. Der 34-Jährige parkt es immer wieder strategisch um.

Ohne Idee ist die Gastronomie ein riskantes Geschäft im Karree Türken-, Schelling-, Amalienstraße. Es muss schon etwas Charakteristisches sein, das die Leute anlockt, und im Fall der Schwestern Brock ist es eine Mixtur aus Shoppen und Ausruhen. Tanja und Verena Brock, zwei Münchnerinnen mit familiären Bindungen an die Spree, haben ihre Kombination aus Café und Modeladen "Meschugge 54" getauft. Die Anspielung auf Berlin passt, weil einem in der Hauptstadt die Idee vom "Konzeptladen" auf Schritt und Tritt begegnet.

Verena Brock, studierte Marketingfachfrau, nennt die Münchner Variante eine "Erlebniswelt": In einem grob getünchten Raum, wo die Handtaschen von Jungdesignern an Metallketten von der Decke baumeln, wird junge Mode verkauft. Nebenan serviert Sascha Lauble am Tresen Kaffee und Müsli. Was heißt Kaffee, der 34-Jährige Pächter der Brock-Geschwister hat in Wien ein Kaffeediplom erworben, bezieht das Pulver für seine fauchende italienische Maschine aus einer Münchner Rösterei, damit bloß kein Aroma verlorengeht, und im Dezember will er seine eigene Kreation präsentieren: Kaffeemehl mit einem Anteil Hawaii-Kona-Bohnen, dem "Champagner des Kaffees", wie er betont.

Das ist nicht unbedingt etwas für knappe Studentenbudgets, aber auch bei Meschugge54 besteht die Kundschaft nicht allein aus Studierenden. Allerdings haben die schönen Schwestern ihr Ladensortiment doch etwas anpassen müssen. "Wir haben nicht mehr bloß die teuren Berliner Designer, sondern auch echt erschwingliche Teile."

Einfallsreichtum und Experimentierfreude

Kein Gericht über zehn Euro, das ist kein Spruch, mit dem Sven Christ für seine Küche werben würde. Dem 41-jährigen, der im Restaurant Giulia am Herd steht, geht es eher um Einfallsreichtum, aber auch darum, keine Effekthascherei zu überzogenen Preisen zu zelebrieren. Und es stimmt ja tatsächlich mit den zehn Euro, was auch mit der Lage des Lokals nahe der TU zu tun hat. Ecke Theresien-/Augustenstraße, nicht gerade ein Pflaster für zahlungskräftige Klientel.

Die Inhaber Florian Rath und Jan Kalthoff haben hier nach "Loretta" in der Müllerstraße ihre zweite Bar mit Küche eröffnet. Sie setzen auch in der Maxvorstadt auf das Aroma der italienischen Kaffeeröster Danesi, auf den Geschmack hausgebackener Kuchen und Christs Ideen, der zu Tagliatelle Linsenbolognese serviert oder Riesengarnelen auf lauwarme Tomaten bettet. Mittags muss man, und das ist ja fast immer ein Zeichen von Qualität, viel Zeit mitbringen im Giulia.

Schneller geht es in der "Pommes-Boutique" in der Amalienstraße, und auch hier steckt ein Konzept dahinter. Verkaufe ein mäßig beleumundetes Produkt geschickt, und die Leute werden es mögen. Für den findigen Betreiber Bernhard Heiler stehen an diesem Nachmittag der Student Rico Lehnigk in dem grellgrün und pink gekachelten Lokal an den Friteusen und serviert die dampfenden Kartoffelstäbchen in Papiertüten.

Zwanzig Saucen stehen in einer Bataillon Pumpflaschen zur Auswahl, Currywurst und Fleischspießchen sind Bioware, und als Gegengewicht zur fettreichen Kost gibt es die "Rohkost-Tüte mit Sourcream". Die Idee geht auf, Studentengrüppchen, Dozenten mit Intellektuellen-Baskenmützen und Schülerinnen sitzen einmütig dippend im Friteusendunst.

© SZ vom 11.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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