Süddeutsche Zeitung

Neue Ausstellung:In Bewegung

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Die Sonderausstellung "energie.wenden" im Deutschen Museum informiert über anstehende Herausforderungen und hilft den Besuchern, eine eigene Haltung zum komplexen Thema zu entwickeln

Von Martina Scherf

Kaffee kochen, zur Arbeit fahren, Computer einschalten, Handy aufladen, Fernsehen, Urlaubsreise buchen - jeder Schritt eines modernen Menschen kostet eine Menge Energie. Woher soll sie kommen? Wie groß ist der Preis, den die Umwelt dafür zahlt? Kaum ein Thema wird so kontrovers diskutiert, beteiligt so viele verschiedene Akteure und reicht so weit in die Zukunft wie: die Energiewende. Das Deutsche Museum will mit seiner Sonderausstellung "energie.wenden" von 15. Februar an Denkanstöße liefern. Der Punkt im Titel soll dabei andeuten, dass es viele Wege gibt. Und dass in dieser Ausstellung die Besucher selbst zu Akteuren werden.

Elektroautos, Windräder, Stromtrassen, Öl, Kohle, Kernkraft, Subventionen hier, Bürgerproteste dort - je tiefer man einsteigt, desto komplexer wird es. "Die Energiewende ist eine enorme globale Herausforderung", sagt Wolfgang Heckl, Generaldirektor des Deutschen Museums, "sie stellt Wissenschaft, Wirtschaft und Technik vor große Aufgaben - und sie geht uns alle an." Zugleich ist sie ist ein hochpolitisches Thema. Deshalb ist die Ausstellung als gesellschaftspolitisches Spiel konzipiert. Jeder ist aufgefordert, sich zu positionieren. Zu Beginn erhält man eine gelbe Lochkarte. "Stell dir vor, du bist eine Politikerin oder ein Politiker und sollst die Energiewende voran bringen", steht darauf. Mit dieser Karte in der Hand betritt man den Parcours und begegnet dort auf großen Bildschirmen zehn Lobbyisten, dargestellt von Schauspielern. Kaum tritt man ihnen gegenüber, beginnen sie, ihre Argumente vorzutragen: die Atomkraft-Vertreterin, der Bauer, der Umweltschützer, der Finanzinvestor.

An jeder Station können die Besucher dann Fragen auf einem Monitor beantworten: Strompreis rauf? Preis für Bio-Diesel runter? Fracking - Ja oder Nein? Wer sich entschieden hat, steckt seine Karte in einen Schlitz und stanzt sein Ergebnis in den Karton. Bei der Entscheidung hilft der jeweilige "Wissensspeicher", ein Raum mit Exponaten und Informationen zum Thema wie Kernenergie, Bauen und Wohnen, Sonne und Wind, oder Produktion und Konsum. Dort lernt man etwa, dass ein Handy vom Abbau der Rohstoffe bis zum Transport ein Vielfaches an Energie kostet als den Strom, den es zum täglichen Aufladen braucht. Oder dass zwei Aluminiumdosen für ihre Produktion den Tagesstrombedarf eines Vierpersonenhaushaltes verbrauchen.

Ein Kinderspiel von 1952 zeigt, was einst Expertenmeinung war und heute nur noch Kopfschütteln hervorruft: Der Atom-Experimentierkasten für den kleinen Bastler enthielt damals tatsächlich radioaktives Material. Und der Querschnitt durch das Kabel einer Stromtrasse ist so schön anzusehen wie ein Kunstobjekt. Ganz am Ende des Parcours steht der schicke Tesla Roadster, der als erstes Serien-Elektroauto einmal um die Welt fuhr.

Mehrere interaktive Stationen fordern zum Handeln auf. Zum Beispiel dazu, die Stromversorgung einer Kleinstadt sicherzustellen, mit Kraftwerken und Speichern. Wer möchte, kann die Galerie der "unsinnigen Dinge" ergänzen und dem Museum ein Geschenk mitbringen, das einmal gekauft und nie wieder benutzt wurde. Erstes Objekt: ein rosaroter Plüschflamingo, der jodeln kann. "Er ist Elektroschrott, aber er erwärmt unser Herz", sagen die Kuratorinnen der Ausstellung Sarah Kellberg und Sabine Gerber, die mit ihrer interaktiven Schau die Besucher immer wieder zum Handeln anregen wollen.

Wer will, kann am Ende seine Lochkarte auslesen lassen und bekommt - ähnlich wie beim Wahl-O-Mat - sein persönliches Meinungsprofil. Die Ergebnisse sollen auch in eine wissenschaftliche Studie einfließen, erklärt Museums-Chef Wolfgang Heckl. "Wir rechnen mit mindestens 100000 Besuchern, wo sonst können wir so viele Daten erheben?" Das Museum will mit dieser Schau Orientierungswissen liefern - und zeigen, dass das Monstrum Energiewende jeden herausfordert.

Energiewenden im Deutschen Museum: Mittwoch, 15. Februar, bis August 2018; es gibt ein umfangreiches Begleitprogramm für Schulklassen, ebenso Ferienprogramme, Workshops und Lehrerfortbildungen. Am 2. März erscheint im oekom-Verlag ein Begleitbuch zum Thema.

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Quelle:
SZ vom 11.02.2017
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