Neubeschaffung:Die 13 Bücherwühler

Spezialisten entscheiden, welche Medien ins Regal kommen

Von Melanie Staudinger

So richtig daneben liegt Ernst Zimmermann eigentlich fast nie. Einmal aber ist es doch passiert. Vor vier Jahren nämlich, als der Bibliothekar die Neuerscheinungskataloge durchblätterte und dabei auf ein Buch mit dem Titel "Darm mit Charme" stieß. "Das erschien mir als unscheinbares, abseitiges Thema", sagt Zimmermann. Zur Sicherheit ließ er sich ein Vorabexemplar kommen. Und beschloss: Mehr als ein Exemplar braucht es nicht. Es kam anders: In Spitzenzeiten verlieh die Münchner Stadtbibliothek bis zu 100 Exemplare des Bestsellers von Giulia Enders gleichzeitig. "So etwas ist aber die absolute Ausnahme", sagt Zimmermann.

Er ist einer von 13 Lektoren der Münchner Stadtbibliothek, also der Gruppe von Mitarbeitern, die sich um alle Neuanschaffungen kümmern. Gut 200 000 Titel sichten die Experten im Jahr, darunter Fachbücher, Reiseführer, Romane und Kinderbücher in gedruckter Form genauso wie E-Books, CDs, DVDs, Computerspiele oder Musiknoten. 30 000 Titel schafft die Bücherei an, etwa 220 000 unterschiedliche Medien, weil es von manchen gleich mehrere gibt.

Der Anspruch ist hoch: Alle wichtigen und gefragten Neuerscheinungen sollen zeitnah in den Regalen stehen. Jeder der 13 Spezialisten im zentralen Lektorat betreut ein Gebiet: Zimmermann zum Beispiel kümmert sich um Neuerscheinungen aus den Bereichen Geografie und Naturwissenschaften. Voraussetzung um in diesem Job zu arbeiten, ist eine bibliothekarische Ausbildung und auch eine langjährige praktische Erfahrung. Die Lektoren wissen tendenziell ganz gut, was die Bibliotheksnutzer verlangen und was sie eher links liegen lassen.

Zehn Jahre ist die durchschnittliche Lebensdauer eines Buches. Dann muss es in der Regel weggeworfen werden, weil es so zerlesen ist. Auch fürs Aussortieren gelten klare Regeln: Selbstverständlich, so erklärt Zimmermann, werden kaputte Medien aussortiert. Ein weiteres Kriterium ist die Beliebtheit bei den Nutzern. Leihen diese ein Buch zwei, drei Jahre lang kein einziges Mal aus, ist auch das ein Indiz dafür, dass es bald Platz machen muss für neue Werke. Ins Magazin schaffen es nur die wenigsten Exemplare: Lediglich zehn Prozent der Werke aus der Zentrale am Gasteig, die aus den Regalen fliegen, gelangen dorthin. Der Rest kommt auf den Flohmarkt oder in den Müll.

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